Frankreichs politische BlockadeMacrons Kandidatin gewinnt Wahl um den Parlamentsvorsitz
Yaël Braun-Pivet bleibt Präsidentin der Assemblée Nationale. Sie profitiert von einem Pakt mit den konservativen Republikanern. Ein Hinweis auf die kommende Regierung.
Erst im dritten Wahlgang und unter beispielloser Spannung haben Frankreichs Abgeordnete am Donnerstagabend eine neue Parlamentspräsidentin gewählt: Yaël Braun-Pivet von der zentristischen Partei Ensemble pour la République, die das Amt schon seit 2022 und bis zur Auflösung der Assemblée Nationale innegehabt hatte, gewann mit 220 Stimmen; der Kommunist André Chassaigne, gemeinsamer Kandidat der Linken für diese wichtige Wahl, brachte es auf 207 Stimmen; Sébastien Chenu vom rechtsextremen Rassemblement National wurde Dritter mit 141 Stimmen.
Knapp wurde es, weil das Parlament seit der Wahl in drei grosse Blöcke gespalten ist, die je weit weg von der absoluten Mehrheit sind. Im dritten Wahldurchgang reichte eine einfache Mehrheit. Die 53-jährige Anwältin Braun-Pivet profitierte davon, dass die konservativen Républicains und der Bündnispartner Horizons ihre Bewerber zurückgezogen hatten. Deren Stimmen gingen geschlossen an sie.
Steht diese Präsidentschaft quer zum Wählerwillen?
Damit behält das Lager von Präsident Emmanuel Macron den Posten, obschon es von allen politischen Lagern bei den Parlamentswahlen vom 7. Juli der grösste Verlierer war und nur noch über 168 Sitze verfügt. Das wirft nun die Frage auf, wie legitim diese Präsidentschaft ist, ob sie quer steht zum Wählerwillen. So jedenfalls sieht es die Linke. Der Pakt der Macronisten mit den Republikanern könnte nun entscheidend sein für die Lösung der politischen Blockade.
Frankreich hat noch immer keine neue Regierung. Premier Gabriel Attal und sein Kabinett führen seit ihrem Rücktritt vor ein paar Tagen nur noch die Geschäfte – voraussichtlich für einige Wochen, bis zum Ende der Olympischen Sommerspiele von Paris, die am 26. Juli beginnen.
Das Timing für den Rücktritt der Regierung war kein Zufall: Die siebzehn Minister, die gleichzeitig Abgeordnete sind, sollten bei der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten unbedingt teilnehmen können. Und so kam es zu einer weiteren Premiere in dieser an Premieren nicht gerade armen Phase der Fünften Republik: Minister, die im Parlament wählen. Ziemlich barock und am Ende mitentscheidend.
Eine Prognose für den weiteren Zeitplan ist kompliziert. Die vereinte Linke des Nouveau Front Populaire, sehr relative Siegerin der Parlamentswahlen mit 182 Sitzen in der neuen Nationalversammlung, konnte sich noch immer nicht einigen auf einen Namen für einen möglichen Premierminister.
Drei von vier Parteien des Bündnisses – nämlich die Sozialisten, die Grünen und die Kommunisten – würden gern die 73-jährige Ökonomin und Umweltexpertin Laurence Tubiana vorschlagen, eine Persönlichkeit aus der Zivilgesellschaft mit einer linken, ökologischen Neigung.
Doch die radikal linke La France Insoumise mochte sich nicht hinter diesem Namen versammeln, weil ihr Tubiana allzu «Macron-kompatibel» erscheint. Der Präsident hat sie in jüngerer Vergangenheit mehrmals zur Ministerin machen wollen, was diese aber immer ablehnte.
Tubiana selbst sagte am Donnerstag, sie wäre bereit für die Aufgabe, es sei Zeit, sich zu engagieren, das Land brauche eine «linke Politik» für mehr soziale Gerechtigkeit. Die Sozialisten pochen nun darauf, dass die linken Parlamentarier über Tubiana abstimmen.
Bei der Wahl des Parlamentsvorsitzenden wurde jeder Abgeordnete einzeln und namentlich aufgerufen, um vor dem «perchoir» – wörtlich: Sitzstange, wie man den Platz der Präsidentschaft der Assemblée Nationale auch nennt – den Wahlzettel in eine Urne zu werfen. Neben der Urne stand wie immer das jüngste Mitglied des Parlaments, eine alte Tradition.
Diesmal war das im ersten Wahlgang Flavien Termet, ein 22-jähriger Politiker aus den Ardennen vom extrem rechten Rassemblement National. Linke Abgeordnete weigerten sich, dem Lepenisten die Hand zu schütteln.
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