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26. Klimakonferenz
Was beim Treffen in Glasgow auf dem Spiel steht

Das Eis schmilzt zunehmend weg: Adeliepinguine in der östlichen Antarktis.
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Ab Sonntag treffen sich im schottischen Glasgow die Vertreter von etwa 200 Staaten, um über mehr Anstrengungen zum Klimaschutz zu verhandeln. Manche Staaten haben vorab neue Klimaziele versprochen. Australien etwa kündigte Anfang der Woche an, bis 2050 klimaneutral werden zu wollen. Insgesamt aber warnen Beobachter schon jetzt vor einem Scheitern der Konferenz. Was genau steht bei der COP26 auf dem Spiel, und wie funktionieren solche Verhandlungen überhaupt?

Was ist die COP26?

Die COP26 ist die Klimakonferenz der UNO, genauer: der Vertragsstaaten der UNO-Klimarahmenkonvention, auf Englisch «Conference of the Parties» – daher die Abkürzung. Im Abkommen aus dem Jahr 1992 haben sich die inzwischen knapp 200 Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtet, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre so zu begrenzen, dass «eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird». Wann genau solch eine «gefährliche» Störung erreicht ist, steht nicht im Abkommen. Ab Sonntag treffen sich Tausende Politiker, Regierungsvertreter, Beamte und Experten für zwölf Tage in Glasgow, um darüber zu verhandeln, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Es ist schon das 26. Treffen dieser Art – darum COP26. Aber bisher ist der Ausstoss von Treibhausgasen trotz vieler Versprechen bei diesen Konferenzen fast immer weiter angestiegen. Den einzigen ernstzunehmenden Rückgang gab es 2020 – wegen der Corona-Krise.

Die Teilnehmerstaaten treffen sich jedes Jahr. Warum ist ausgerechnet diese Konferenz so entscheidend?

In diesem Jahr steht ungewöhnlich viel auf dem Spiel. Und zwar auf verschiedenen Ebenen. Zum einen hätten die Vertragsstaaten des Paris-Abkommens eigentlich bis zum Jahr 2020, fünf Jahre nach Unterzeichnung, erstmals verbesserte Klimaziele einreichen müssen. Da die im vergangenen Jahr geplante Konferenz wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben werden musste, haben sich viele Länder mehr Zeit gelassen. Aber nun wird Bilanz gezogen. Bislang haben von den 192 Unterzeichnern nur etwa 120 neue Ziele eingereicht. Aber die wenigsten davon sind ausreichend ambitioniert, und die Milliardenländer China und Indien haben noch kein Update präsentiert, sodass die bisherigen Zusagen die Welt auf etwa 2,7 Grad Erwärmung zusteuern lassen.

Was haben die Staaten im Pariser Klimaabkommen vereinbart?

Das Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015 ist die erste weltweite Vereinbarung, in der sich alle Staaten zum Kampf gegen die Erderwärmung verpflichten. Fast alle Staaten der Erde haben das Abkommen ratifiziert – nur die drei Opec-Länder Iran, Irak und Libyen fehlen, ausserdem Jemen und Eritrea. Damals verpflichteten sich die Staaten, Anstrengungen zu unternehmen, um die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Können die Staaten das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreichen?

Das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Im aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC, der im August erschien, werden beispielhaft fünf Szenarien betrachtet, die den ansatzweise realistischen Bereich abdecken. Kein einziges davon bleibt zuverlässig unter 1,5 Grad Erwärmung, dafür ist es wohl zu spät. Aber das ambitionierteste lässt die Temperatur – je nach Modell – im Mittel immerhin nur zeitweise auf 1,6 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau steigen. Zum Ende des Jahrhunderts dürfte sie in diesem Szenario wieder unter die 1,5-Grad-Grenze fallen, das Erwärmungslimit würde also nur vorübergehend gerissen. Dafür aber müssten die Emissionen umgehend und drastisch sinken, bis etwa 2035 auf die Hälfte des aktuellen Niveaus, um 2055 CO₂-Neutralität zu erreichen.

Kann das bis 2055 gelingen?

Das wird schwierig, die Welt ist derzeit weit von diesem Ziel entfernt: Selbst wenn alle Staaten ihre bisherigen Zusagen einlösen, was noch nicht gesichert ist, bleiben die globalen Emissionen laut einer Analyse des unabhängigen Projekts Climate Action Tracker bis in die 30er-Jahre nahezu konstant, erst danach würden sie langsam sinken. Im Ergebnis würde das im Mittel bestenfalls auf 2, eher auf 2,4 Grad Erwärmung führen. Ist die 1,5-Grad-Grenze also noch zu erreichen? Theoretisch und technisch ja, haarscharf. Praktisch und politisch: aus heutiger Sicht eher nein.

Auf welche Staaten kommt es in Glasgow besonders an?

Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sind für mehr als 80 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Ban Ki-moon, der bis 2016 UNO-Generalsekretär war und das Pariser Abkommen mit verhandelt hat, forderte darum kürzlich gerade die G-20-Staaten auf, das 1,5-Grad-Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ban nannte Mexiko, Indonesien, Russland und Brasilien, deren neue Klimaziele gleichbleibend oder sogar schwächer ausfielen als zuvor. Er nannte Indien, Saudiarabien und die Türkei, die noch keine Ziele eingereicht hätten. Zwei andere Staaten aber griff er noch einmal gesondert heraus.

Weshalb sind die USA und China besonders wichtig im Kampf gegen die Klimaerwärmung?

Die USA und China verursachen allein mehr als 40 Prozent der CO₂-Emissionen. Ban rief die Staaten auf, im Sinne der Menschheit zusammenzuarbeiten. «Sonst wird das Pariser Klimaabkommen kaum zu erfüllen sein», sagte Ban. US-Präsident Joe Biden hat sein Land immerhin in den Vertrag zurückgeführt. Ob er sein Infrastruktur- und Klimaprogramm allerdings zu Hause durch den Kongress bringt, ist keineswegs gewiss. Und China hat gerade seine Kohlekraftwerke hochgefahren, weil das Land unter erheblichen Energieproblemen leidet.

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Dürreperiode in der Schweiz: Der weitgehend ausgetrocknete Sihlsee im April 2020.

Wie sollen ärmere Länder mehr Klimaschutz finanzieren?

In Kopenhagen hatten sich 2009 die Industrieländer verpflichtet, von 2020 an jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, damit die Entwicklungsländer Massnahmen ergreifen können, um Treibhausgase zu reduzieren. Dieser Betrag, in den sowohl private Mittel von Investoren als auch öffentliche Gelder fliessen können, kam bislang nicht zusammen. Zu den Geberländern zählen europäische Staaten, Japan, Australien und Neuseeland sowie Kanada und die USA. Sie sammelten 2019 laut der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung OECD insgesamt 79,6 Milliarden US-Dollar, nur 2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor, aber dass hier eine Lücke klafft, ist offensichtlich. Kommen die 100 Milliarden nicht zusammen, droht erheblicher Ärger in Glasgow. Die Entwicklungsländer verweisen darauf, dass sie das Problem der Erderwärmung nicht zu verantworten haben, aber nun teilweise am meisten darunter leiden.

Welcher Streit droht sonst noch?

Einige Punkte im Pariser Klimaabkommen sind noch nicht geklärt oder umstritten. Zum Beispiel der Rahmen, wie die Staaten über ihre Treibhausgasentwicklung berichten. Wollen die Regierungen der Welt die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad stoppen, müssen die Staaten ihre CO₂-Emissionen stärker und schneller reduzieren. Dabei gibt es immer wieder Versuche der Manipulation. Da ist zum einen das Basisjahr. Die Schweiz wie auch die EU rechnen ab 1990, bis 2030 sollen die Emissionen um 55 Prozent sinken. Je höher die Emissionen im Basisjahr sind, desto ambitionierter müssen die Reduktionen sein. Brasilien wiederum soll nun ein neues Ziel eingereicht haben mit einem veränderten Ausgangsjahr, was dazu führt, dass das Land aktuell weniger CO₂ reduzieren muss. China bilanziert seine Emissionen im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt, ein sogenanntes Intensitätsziel. Es soll vor allem Schwellenländern mehr Wirtschaftswachstum ermöglichen.

Wie läuft so eine Konferenz ab?

Die Weltklimakonferenz dauert zwei Wochen. Es geht los mit dem sogenannten High-Level-Segment, bei dem etwa 130 Staats- und Regierungschefs ihre Auftritte haben. Die Schweiz wird durch Bundespräsident Guy Parmelin repräsentiert. Ausserdem treten in Glasgow Umweltministerin Simonetta Sommaruga und Finanzminister Ueli Maurer auf. Bei diesem Klimagipfel kann der Ton gesetzt werden, besonders von Gastgeber Boris Johnson. Danach gehen die Unterhändler an die Arbeit, diesmal haben sie ein besonders straffes Programm. Weil die Konferenz im vorigen Jahr wegen der Corona-Pandemie ausfiel, muss eine grosse Zahl offener Fragen abgearbeitet werden. Um die strittigsten kümmern sich an den letzten Tagen der Konferenz die Minister. Fast nie endet eine Klimakonferenz planmässig freitags – die meisten Teilnehmer dürften das darauffolgende Wochenende noch in Glasgow gebucht haben.

Was passiert, wenn die Staaten die gegebenen Zusagen nicht einhalten?

In juristischer Hinsicht: nichts. Das Abkommen selbst ist zwar ein völkerrechtlich bindender Vertrag. Aber er enthält keine Sanktionen für den Fall, dass sich ein Staat nicht an die Vereinbarungen hält. Klimaschützer kritisieren das seit langem. Allerdings wäre das Abkommen andernfalls wohl nie zustande gekommen.

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