Wohnungsmarkt Zürich300 Millionen Franken für günstigere Wohnungen
Die Stadt und ihre Wohnbaustiftungen können weiter auf Häuserkauf gehen. Das Stadtparlament stellt sich hinter den Gegenvorschlag zur Initiative «Bezahlbare Wohnungen». Bürgerliche sprechen von Symptombekämpfung.
Die vier Stadtzürcher Wohnbaustiftungen sollen insgesamt 300 Millionen Franken erhalten, um mehr günstige Wohnungen schaffen zu können. Dies ist die Stossrichtung des stadträtlichen Gegenvorschlags zur SP-Wohnbauinitiative, der am Mittwoch im Stadtparlament eine Mehrheit fand. Die definitive Schlussabstimmung findet erst in ein paar Wochen statt, nach der redaktionellen Bereinigung der Vorlage. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten voraussichtlich im September.
Je 100 Millionen Franken sollen an die Stiftung PWG zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen und an die Stiftung Alterswohnungen gehen, je 50 Millionen Franken an die Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien und an die Stiftung Einfach Wohnen.
Kaufen, kaufen, kaufen
Auslöser für den Geldsegen ist die Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich», welche die SP vor rund zwei Jahren mit 9000 Unterschriften eingereicht hat. Sie verlangt, dass die Stadt und ihre Wohnbaustiftungen mehr Häuser und Grundstücke kaufen, um so mehr günstigen Wohnraum zu schaffen.
Dazu wollte die SP drei der Wohnbaustiftungen mit 250 Millionen Franken zusätzlichem Kapital ausstatten. Zudem sollten laut der Initiative fünf Prozent der neu erworbenen städtischen Mietwohnungen an sozial benachteiligte Personen gehen.
Der Stadtrat unterstützte das Anliegen zwar, lehnte die Initiative aber ab und präsentierte einen Gegenvorschlag: Dieser sieht vor, dass nebst den drei von der SP genannten auch die Stiftung Einfach Wohnen mehr Stiftungskapital erhalten soll. In der Initiative ist diese Stiftung noch nicht erwähnt. Zudem möchte der Stadtrat einen Teil der Kompetenz bei Darlehen und Bürgschaften ans Stimmvolk abtreten. Bei Beträgen von über 20 Millionen Franken soll es eine Volksabstimmung geben.
SP zieht Initiative zurück
Anders als es die Initiative verlangte, will der Stadtrat dagegen keine konkreten Wachstumsziele für die Stiftungen in der Gemeindeordnung verankern – dies sei «nicht sachgerecht». Auch die Forderung, fünf Prozent der so neu geschaffenen Wohnungen an sozial Benachteiligte zu vermieten, will er nicht in die Gemeindeordnung aufnehmen. Diese Forderung könne auch erfüllt werden, ohne sie dort zu verankern.
Die SP konnte sich mit dem Gegenvorschlag anfreunden. Sie hatte bereits vor der Ratssitzung bekannt gegeben, ihre Initiative zurückzuziehen. Der Gegenvorschlag setze die Initiative weitgehend um.
Im Gemeinderat erklärte SP-Gemeinderat Simon Diggelmann, die Stadt benötige ein neues, umfangreiches Massnahmenpaket, um die Expansion der Immobilienfirmen in Zürich zu stoppen und gemeinsam mit den städtischen Wohnbaustiftungen und den Genossenschaften rasch mehr bezahlbare Wohnungen zu realisieren.
Grüne und AL stellten sich ebenfalls hinter den Gegenvorschlag. Patrik Maillard (AL) mokierte sich allerdings über die SP-Initiative, in der offenbar eine Wohnbaustiftung schlicht vergessen gegangen sei, und sprach von einem «populistischen Schnellschuss». Nun versuche der Stadtrat mit dem Gegenvorschlag, das Ganze zu retten.
SVP: Problem der Zuwanderung
SVP, FDP, Mitte und GLP lehnten Initiative und Gegenvorschlag ab. Samuel Balsiger (SVP) warf den Linken Symptombekämpfung vor. Das Hauptproblem bei der Wohnungsnot in Zürich sei die «masslose Zuwanderung» in die Stadt, die zu einer Verknappung des Wohnraums und immer höheren Mieten führe. «Auch wenn Sie jetzt nochmals ein paar Hundert Millionen ‹verbraten›, es wird sich auf dem Wohnungsmarkt nichts ändern», rief Balsiger der Linken zu.
Hans Dellenbach (FDP) bezeichnete die SP-Initiative als «reine Show». Alle wüssten, dass die SP in Zürich seit Jahrzehnten die Politik präge. Wenn die SP also zum Schluss komme, dass in der Wohnpolitik etwas schieflaufe, könnte sie über den Stadtrat und den Gemeinderat recht einfach eine Änderung auf den Weg bringen. Dazu brauche es keine Volksinitiative. Zudem kaufe die Stadt sowieso schon, «was sie in die Finger kriegt». Und meistens bezahle sie auch noch zu viel dafür und dränge private Investoren aus dem Markt.
Leupi: «Kein Wundermittel»
Christian Traber (Mitte) anerkannte zwar, dass es in Zürich ein Wohnproblem gebe, das bis weit in den Mittelstand reiche. Der Gegenvorschlag und die Initiative seien aber «der falsche Weg»: «Mit noch mehr Millionen schaffen Sie keine neue Wohnung, Sie heizen den Immobilienmarkt noch weiter an», sagte Traber. Stattdessen brauche es gute Rahmenbedingungen, damit rascher gebaut werden könne.
Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) warnte vor zu grossen Erwartungen. Der Gegenvorschlag sei «kein Wundermittel» zur Lösung der Probleme auf dem Zürcher Wohnungsmarkt, aber er könne einen Beitrag dazu leisten.
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