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Wohnen in Zürich
Zürcher Linke streicht Einkommens­limiten bei Vergabe von günstigen Wohnungen

Die Fassade eines Wohnaus, fotografiert am Mittwoch, 29. Juni 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Wer soll in Zürich Anspruch auf eine preisgünstige Wohnung haben, die bei Auf- und Umzonungen entsteht? Diese Frage stand am Mittwochabend im Zentrum einer hitzigen Debatte im Stadtparlament. Diese drehte sich um die neuen städtischen Belegungsvorschriften für preisgünstige Wohnungen, die künftig durch eine erhöhte Ausnützung entstehen.

Auslöser ist der von den Stimmberechtigten des Kantons 2014 angenommene und seit 2019 geltende Paragraf 49b im Planungs- und Baugesetz. Seither können Gemeinden bei Auf- oder Umzonungen von privaten Investoren und Baugenossenschaften einen Mindestanteil an preisgünstigem Wohnraum einfordern.

Rot-grüner Stadtrat wollte Einkommenslimite

Die Verordnung des Stadtrats legt fest, nach welchen Kriterien diese zusätzlichen preisgünstigen Wohnungen in Zürich vermietet werden sollen. Der Stadtrat sah Vorschriften analog zu den Bestimmungen zur Vermietung von städtischen Wohnungen vor, inklusive Mindestbelegung an Personen (Anzahl Zimmer minus 1 = Anzahl Personen), Wohnsitzpflicht und Einkommenslimite.

Konkret wollte der rot-grüne Stadtrat preisgünstige Wohnungen jenen Personen vorbehalten, deren steuerbares Einkommen beim Bezug das Vierfache und nachher das Sechsfache der Bruttomiete nicht übersteigt. Dabei werden die Einkommen aller Bewohnerinnen und Bewohner addiert und jeweils ein Zehntel des 200’000 Franken übersteigenden steuerbaren Vermögens beim Einkommen angerechnet.

Doch ausgerechnet SP, Grüne und AL kippten die Einkommenslimiten am Mittwoch im Gemeinderat mit 60 zu 52 Stimmen aus der Verordnung. Zudem setzten sie Ausnahmen bei der Wohnsitzpflicht und der Mindestbelegung durch.

Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) reagierte ungewöhnlich scharf: «Ich kann nicht verstehen, was Rot-Grün da reitet.» Mit der Streichung der Einkommenslimite werde ausgeblendet, was auf dem Wohnungsmarkt in der Stadt Zürich derzeit laufe. Ohne Einkommenslimiten verhindere man, dass jene Menschen preisgünstige Wohnungen erhielten, die sie wirklich benötigten. Zudem werde eine gute soziale Durchmischung erschwert.

«Schwarzer Tag für Zürcher Wohnungspolitik»

Nicolas Cavalli (GLP) sprach von einem «schwarzen Tag für die Zürcher Wohnungspolitik.» So werde der Verteilkampf um preisgünstige Wohnungen weiter angeheizt. Dabei sollten die Belegungsvorschriften doch sicherstellen, dass der preisgünstige Wohnraum der vorgesehenen Zielgruppe und nicht Personen mit hohem Einkommen zugutekomme.

Wenn nun plötzlich alle Anspruch auf eine günstige Wohnung hätten, werde der Mangel an solchen zusätzlich verschärft. Es könne doch nicht sein, dass etwa ein Millionär zur Kostenmiete allein in einer 5-Zimmer-Wohnung leben könne.

Diskussionen um die Wohnpolitik: Das Zürcher Stadtparlament in der umgebauten Bullinger-Kirche im Kreis 4.

Referendum kommt

Claudia Rabelbauer (EVP) reagierte ebenfalls mit Unverständnis und warf der Linken «Augenwischerei» vor. Bei der Einkommenslimite gehe es ja genau darum, preisgünstige Wohnungen jenen zukommen zu lassen, die sie wirklich benötigten, und für eine gute soziale Durchmischung zu sorgen. Laut Rabelbauer ist ein Referendum gegen die Vorlage so gut wie sicher.

Kritisch äusserte sich auch Flurin Capaul von der FDP. Die Linke habe sich in dieser Frage verrannt.

SP: Belegungsvorschriften genügen

Die SP verteidigte die Streichung der Einkommenslimiten. Alle, ob reich oder nicht, sollten Anspruch auf günstiges Wohnen haben. Ziel müsse sein, dass möglichst alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt zur Kostenmiete leben könnten und niemand gezwungen werde, die Rendite von Immobilienfirmen zu finanzieren, sagte Sprecher Patrick Tscherrig.

Auch gewinnorientierte Immobilienbesitzer sollten ihren Teil zur Versorgung mit preisgünstigen Wohnungen beitragen. Dabei handle es sich um Wohnungen zur Kostenmiete ohne staatliche Unterstützung. Diese Wohnungen seien für alle da, weil die Kostenmiete in erster Linie ein volkswirtschaftlich sinnvolles Prinzip zur Stärkung der Kaufkraft und keine sozialpolitische Massnahme sei, sagte Tscherrig.

Vorgaben zum Einkommen oder Vermögen machten dann Sinn, wenn Wohnungen staatlich unterstützt würden, wie bei subventionierten Wohnungen. Diese Kategorie von Wohnungen sei denn auch für die untersten Einkommensschichten reserviert. Bei den preisgünstigen Wohnungen nach Paragraf 49b dagegen gebe es keine staatliche Transferleistung, darum wolle die SP die Vorgaben auf Belegungsvorschriften beschränken.

SP: Kontrolle bedeutet Mehraufwand

Die Erfahrung aus der genossenschaftlichen Vermietungspraxis zeige, dass strenge Belegungsvorschriften eine sehr starke soziale Steuerung zur Folge hätten. Für vermögende Menschen seien diese Vorgaben wenig attraktiv, sodass in diesen Wohnungen grossmehrheitlich der untere Mittelstand lebe.

Eine zusätzliche Kontrolle des Einkommens und Vermögens generiert laut der SP einen unverhältnismässigen bürokratischen Mehraufwand ohne spürbaren Effekt auf die Zusammensetzung der Mieterschaft. Zudem mache ein solcher Mehraufwand den Bau von preisgünstigen Wohnungen unattraktiver.

Brigitte Fürer (Grüne) warnte ebenfalls vor Überreglementierung und zusätzlichem Kontrollaufwand durch Einkommenslimiten. Zentral seien Belegungs- und Wohnsitzvorschriften, betonte auch sie. Zu dem von der GLP heraufbeschworenen Szenario von Millionären in preisgünstigen Wohnungen werde es nicht kommen. Das sei «purer Populismus».