Neue Zürcher WohninitiativeWer sein Haus nicht abreisst, soll höher bauen dürfen
FDP, SVP, Mitte und GLP lancieren in der Stadt Zürich eine Aufstockungsinitiative. Dabei haben sie einen zentralen Einwand der Linken aufgenommen.
In den letzten Jahren prägten die linken Parteien die Stadtzürcher Wohnbaupolitik. Nun versuchen FDP, SVP, Mitte und GLP, die Wohnsituation in Zürich mit einer gemeinsamen Volksinitiative zu verbessern. Am Mittwoch stellten sie diese vor.
Die Initiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig» fordert, dass die ganze Stadt um ein Stockwerk erhöht werden soll. Durch flächendeckende Aufstockungen, sagte der städtische FDP-Präsident Përparim Avdili, könnten Tausende neue Wohnungen geschaffen werden. Das grössere Angebot würde den Wohnungsmarkt entlasten. Die links-grüne Mehrheit in der Stadt Zürich habe in den letzten Jahren viel zu wenig dafür unternommen, die grosse Nachfrage nach Wohnungen zu decken.
Anliegen von SP, Grünen und AL aufgenommen
Im Gemeinderat war die FDP mit einem ähnlichen Vorstoss knapp gescheitert. Im Gegensatz zur damaligen Motion macht die Volksinitiative aber eine zentrale Einschränkung: Einen Stock höher gebaut werden dürfte nur bei bestehenden Häusern. Eigentümer, die ihr Haus abreissen und neu hochziehen, würden die zusätzliche Ausnutzung nicht erhalten.
Damit nehmen die Initiantinnen ein zentrales Gegenargument von SP, Grünen und AL auf. Diese befürchteten im Gemeinderat, dass Hausbesitzerinnen die Aufzonung nutzten, um ihre Häuser leer zu kündigen und einen höheren Ersatzneubau zu erstellen.
Die Einschränkung auf bestehende Häuser soll eine sozialverträgliche Verdichtung ermöglichen, sagte Karin Weyermann, Präsidentin der städtischen Mitte. Die bisherigen Mieter sollen nicht verdrängt werden, sondern auch während und nach der Aufstockung im Haus bleiben können. Bauarbeiten würden sie deutlich weniger tangieren als eine Leerkündigung.
Aufstockungen sorgten für eine ökologische Verdichtung, sagte GLP-Gemeinderätin Selina Frey. Die bestehenden Gebäude würden geschont und der Grünraum rundherum erhalten.
Penthouses wären erlaubt
Den Preis, zu dem die aufgestockten Wohnungen vermietet werden, überlässt die Initiative den Eigentümerinnen. Bedingungen hinsichtlich der Miethöhe stellt sie nicht. Teure Penthousewohnungen wären also möglich, sagte FDP-Gemeinderat Hans Dellenbach. Aber auch die Genossenschaften und die Stadt könnten das zusätzliche Stockwerk nutzen. «Darum würden viele preisgünstige Wohnungen entstehen.»
Nach Annahme der Initiative dürfte aber längst nicht die ganze Stadt um drei Meter in die Höhe wachsen. Einschränkend wirkten die Baustatik der Häuser sowie der Denkmal- und der Ortsbildschutz, sagte SVP-Gemeinderat Jean-Marc Jung. Die Initiative erlaubt es daher dem Stadtrat, Ausnahmen zu erlassen. Das Niederdorf würde sich also kaum verändern, sagte Jung. Zudem würden wohl auch längst nicht alle Hauseigentümer eine Erhöhung durchführen, selbst wenn sie könnten.
Mehr als 10’000 neue Wohnungen unrealistisch
Auch der neue Siedlungsrichtplan, dem die Stadtzürcher Stimmbevölkerung vor gut zwei Jahren deutlich zugestimmt hat, sieht in mehreren Stadtgebieten grössere Verdichtungen und höhere Gebäude vor. Die Initianten betrachten ihr Anliegen als Ergänzung dazu. Die Stadt brauche viel Zeit, um die Änderungen aus dem Richtplan in der Bau- und Zonenordnung festzusetzen, sagte Selina Frey. Eine flächendeckende Aufzonung, so die Hoffnung, liesse sich schneller umsetzen. Zudem soll sie den Stadtrat dazu bewegen, die schon vorgesehenen Verdichtungsmassnahmen zu beschleunigen.
Wie viele Wohnungen in welchem Zeitraum nach einer Annahme der Initiative entstehen würden, lässt sich gemäss den Initiantinnen noch nicht sagen. Mehr als 10’000 dürften es aber kaum sein, sagte Hans Dellenbach.
Die SP bleibt kritisch
SP-Co-Präsident Oliver Heimgartner äusserst sich kritisch zur Initiative. Das Abreissverbot stelle zwar einen Fortschritt dar im Vergleich zur ursprünglichen Vorlage, sagt Heimgartner. Und Aufstockungen könnten durchaus zusätzlichen Wohnraum schaffen. «Aber ohne Beschränkung der Mieten in den zusätzlichen Stockwerken wird die Initiative die Verteuerung des Zürcher Bodens weiter vorantreiben», sagt Heimgartner. Denn jede Aufzonung mache das betroffene Land noch wertvoller.
Weil in Zürich die meisten Häuser gewinnorientierten Gesellschaften gehören, würden diese auch am stärksten von einer Erhöhung profitieren, sagt Oliver Heimgartner. Ausserdem seien Aufstockungen keine kosmetischen Eingriffe. Viele Hauseigentümer könnten sie als Anlass nutzen, eine Kernsanierung durchzuführen. Den Mietenden in solchen Häusern würde auch ohne Abriss gekündigt. «Viele Zürcherinnen und Zürcher könnten so verdrängt werden», sagt Heimgartner.
Der SP-Co-Präsident zweifelt gleichzeitig an der beabsichtigten Wirkung der Initiative. Schon jetzt würden zahlreiche Zürcher Eigentümerinnen ihre Häuser nicht erhöhen, obwohl die Bauordnung dies zuliesse.
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