Smartphone-TerrorWo ist das verdammte Ladekabel?!
Diese Frage kann einen – und besonders Familien – an den Rand des Wahnsinns treiben. Eine kleine Entladung.
Rätselhafte Dinge geschehen in der Familie, unerklärliche Verluste sind zu verzeichnen, man schleppt sich kraft- und saftlos durch die letzten Tage des Jahres. Das ist in diesem Fall sehr wörtlich zu nehmen, denn schon wieder herrscht Notstand im Energiebereich, fast so, als habe ein finsterer Mini-Putin zu Hause die Pipeline abgedreht. Low-Level-Alarm auf allen Geräten, gleich ist der Akku leer, sieben Prozent noch, und man kennt das ja, den exponentiellen Niedergang kurz vor dem finalen Kollaps. Sechs, fünf, drei, dann erblasst das Display.
Zeit für eine Klage, die man schon oft angestimmt hat, die beiden Teenager-Töchter können den Text auswendig runterbeten, so wie sie früher das Lied von der Kokosnuss als Dauerohrwurm mit sich herumschleppten: Wo sind die verdammten Ladekabel, wer hat sie geklaut? Liegen sie wieder unterm Bett, sind sie in die Sofaspalte gerutscht oder in jenem bizarren Zwischenreich hinter der Bücherreihe im Ikea-Regal verschollen, wo sich alle möglichen Computer- und Telefonkabel mit alten Kerzenständern und ausgedienten Taschenlampen zu einem unentwirrbaren Knäuel vermählen? Sind sie im Rucksack der älteren Tochter gelandet, auf dem Weg zu einer spontan anberaumten Party bei der besten Freundin? Man schaut in Unschuldsmienen, und beim zweiten Nachhaken spürt man Entrüstung und Zurückweisung: «Ich hab es garantiert nicht ... Wirklich!»
Wir sind nicht die Einzigen, die mit ständigen Verlusten zu kämpfen haben, Freunde und Bekannte berichten ebenfalls vom geheimnisvollen Verschwinden der neuesten Power-Adapter und der dazu passenden Magnetkabel, die sich angeblich magisch anziehen, wie die Herstellerfirma verspricht. Nur leider ist vom Ansteck-Magnetismus nichts mehr zu spüren, sobald man sie kurz aus der Hand gibt – sie scheinen sich nach einmaligem Gebrauch in Luft aufzulösen.
Morgens erlebt man Teenager, die sich Richtung Steckdose strecken
Früher hat man den Fehler gemacht, Billigkopien im Internet zu bestellen, bei No-Name-Händlern, die Ladekabel für ein paar Euro das Stück anbieten. Grosse Freude, wenn so ein Päckchen eintraf. Ein Ladekabel ist ein Ladekabel, oder? Tatsächlich, die erste Stunde geht das gut, der Akku lädt leidlich. Aber schon beim zweiten oder dritten Einstecken passiert exakt: gar nichts mehr. Schliesslich haben neuere iPhones ein eingebautes Abwehrsystem gegen nicht genehme Technik, einen nicht zu knackenden Sicherheitscode, der wohl vor allem konzipiert wurde, um kommunikationssüchtige Familien in den Wahnsinn zu treiben. Mindestens sieben oder acht weitere Originalkabel älterer Bauart und anderer Hersteller funktionierten dagegen zunächst tadellos, knickten aber meist nach drei Monaten an der exakt gleichen Stelle ab – direkt unterhalb der Einsteckvorrichtung. Wackelkontakt nannte man das früher, in der bluetoothlosen Zeit, und mit etwas Glück und Gefummel konnte man das Kabel noch zu einer Restlaufzeit animieren.
Kabelnotstand herrscht eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Morgens kann man daher Teenager erleben, die sich bei einem Wachheitsgrad von weniger als zehn Prozent vom Küchentisch seitlich nach unten Richtung Fussboden beugen, ihren musikalischen Lebensbegleiter fest am Ohr. Die Steckdose ist leider viel zu weit weg! Schon blöd, wenn man gerade nur noch eine einzige ultrakurze Strippe zur Hand hat, den Zwergdackel unter den Ladekabeln. Mit dem Zwei-Meter-USB-C-Mag-Safe-3-Teil von Apple könnten sich die Bewohner morgens um sieben die steile Verrenkung sparen, aber dieses Premiummodell kostet stolze 55 Franken – und da ist der passende Stromstecker noch nicht dabei. Ein bisschen viel für ein Kabel, das sich erfahrungsgemäss relativ rasch wieder dematerialisieren wird.
Manchmal aber geschehen doch noch kleine weisse Wunder. Ein hochwertiges Teil mit stabilem Gehäuse, garantiertem Knickschutz und ordentlicher Schnelladefunktion aus dem Jahr 2019 fand sich als Adventsüberraschung in einer selten genutzten Schublade. Vielleicht sollte man ja erst mal kurz nachdenken, bevor man andere in der Familie des Diebstahls verdächtigt – und sich lieber an die eigene Nase fassen.
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