Royal Box in WimbledonWo Beckham glänzt, Federer frevelt und Hamilton abgewiesen wird
Nirgends ist es exklusiver als in Wimbledons Treffpunkt für Astronauten, Filmstars und Sportler. Doch die Regeln werden auch bei den grössten Promis strikt durchgesetzt.
Als Roger Federer zu Beginn der All England Championships seinen grossen Auftritt in der Royal Box hatte, beging er einen unverzeihlichen Fehler. Er berührte Prinzessin Kate am Rücken und wollte sie zur Begrüssung auf die Wangen küssen, wobei sie ihn sanft stoppte. Royals darf man nicht einfach so berühren, sie müssen immer den ersten Schritt machen, so sieht es das königliche Protokoll vor. Federer ist als Schweizer damit wohl nicht so vertraut und versteht sich inzwischen so gut mit Kate, dass ihm das gar nicht in den Sinn kam. Weil er der Tenniskönig und Liebling Wimbledons ist, verzieh man ihm den Fauxpas trotz allem.
Für Federer war es die Premiere in der Royal Box, weitere Einladungen werden sicher folgen. Auch sein langjähriger Coach und Freund Severin Lüthi wurde diese Ehre zuteil. Er warf sich in Schale und schwärmte tags darauf: «Die Sicht auf den Court ist genial, und das Essen ist hervorragend.» Wenn sich die Gäste zur Mittagszeit einfinden, werden ihnen auf dem Balkon hinter dem Centre Court Drinks serviert. Zum Lunch gibt es nur das Beste – Hummer, Lachs und Ähnliches –, zum Dessert werden natürlich Erdbeeren serviert. Nicht die normalen, sondern besonders knackige und süsse, genannt Driscoll’s Jubilee.
Darauf begeben sich die Gäste zehn Minuten vor dem ersten Spiel auf dem Centre Court auf ihre Plätze und verbringen da die meiste Zeit des Nachmittags. Wenn es kalt wird in der Royal Box, werden Decken abgegeben. Wen es nach Süssem gelüstet, der kann sich bedienen, wenn auf den 74 Sitzen diskret Schächtelchen mit Pralinés herumgereicht werden. Wer genug Tennis gesehen hat, der kann sich auch kurz zurückziehen für den Afternoon Tea, der von 15.45 bis 17.15 Uhr serviert wird.
Natürlich kann man auch weiter Drinks zu sich nehmen, doch die Gäste werden angehalten, nicht zu tief ins Glas zu blicken. 2019 sorgte der US-Schauspieler Woody Harrelson («Cheers», «Natural Born Killers») für Amüsement, als er sichtlich angetrunken auf seinen Platz zurückkehren wollte, mit einem vollen Glas in der Hand, und ihn der Stewart nicht mehr hineinliess. Enttäuscht verschwand Harrelson wieder, doch er liess nicht locker. Verkleidet mit einem Strohhut schaffte er es später zurück in die Royal Box. Auf seinem Gesicht ein breites Strahlen.
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Anders als am US Open, wo die geladenen Filmstars und sonstigen Promis Faxen machen, wenn sie auf der Grossleinwand eingeblendet werden, winken die prominenten Gäste in Wimbledon nur kurz in die Menge. Die Klientel ist auch eine etwas andere. In die Royal Box eingeladen werden gemäss dem All England Club «die Königsfamilie, die Tenniswelt, herausragende Individuen und andere, die auf unterschiedliche Weise zur Verbesserung unseres Lebens und der Gesellschaft beitragen». So wurde 2021, nachdem die Championships im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie ausgefallen waren, Sarah Gilbert eingeladen, eine der führenden Wissenschaftlerinnen bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs.
Diesmal wurde unter anderen die iranisch-britische Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe eingeladen, die von 2016 bis 2022 im Iran im Gefängnis verbracht hatte wegen angeblicher Spionage. In diesen dunklen Stunden habe es ihr einen kurzen Moment der Freude beschert, als sie 2016 kurz einen Fernseher in ihrer Zelle gehabt und da verfolgt habe, wie Andy Murray zum zweiten Mal Wimbledon gewonnen habe, sagte sie. Passenderweise war sie am ersten Dienstag in der Royal Box, in der Reihe hinter Federer, als Murray seinen ersten Auftritt hatte.
In der britischen Presse stand, der Schotte habe sie eingeladen, was so nicht korrekt ist. Nicht einmal er kann jemanden in die Royal Box einladen, sondern nur der All England Club oder genauer dessen Chairman Ian Hewitt. Unter diesem, der die Rolle seit 2019 versieht, hat sich der Fokus etwas weg von reinen Promis zu bedeutenden Figuren des gesellschaftlichen Lebens verlagert. Aber natürlich will auch Wimbledon mit Stars punkten, schliesslich sorgen diese für Glamour und Schlagzeilen.
Ex-Fussballer David Beckham war schon mehrmals eingeladen. Diesmal nahm er seine Mutter mit – man darf eine Begleitung mitbringen. Die Astronauten Tim Peake und Andrew Feustel waren in der Royal Box, die Sängerin Kylie Minogue, Tierfilmer David Attenborough, Prinz Albert von Monaco, Amazon-Gründer Jeff Bezos, die US-Schauspieler Samuel L. Jackson («Pulp Fiction») oder Tom Cruise, «Vogue»-Chefin Anna Wintour, Survival-Ausbildner und Dokumentarfilmer Bear Grylls war gerade wieder da, Golfer Sergio Garcia tauchte nach seinem Masters-Sieg im legendären grünen Jackett auf. Fussballtrainerlegende Alex Ferguson ist ein gern gesehener Gast. Tennisgrössen wie Billie Jean King auch.
Als Bartoli auf James Bond traf
Weil Persönlichkeiten aus ganz unterschiedlichen Bereichen aufeinandertreffen, können sich spannende Gespräche entwickeln. Das sei für ihn das Reizvollste, sagte Donald Dell, der erste Agent im Profitennis, der «New York Times»: «Jedes Mal ist es eine ganz andere Gruppe.» Marion Bartoli, die Siegerin von 2013, traf in der Royal Box auf James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan und war hin und weg. Und natürlich sind immer Royals ganz unterschiedlichen Kalibers dabei.
Queen Elizabeth II erschien nur zweimal im All England Club, zuletzt 2010, wobei man sie beim Lunch neben Federer setzte. Sie ass, schaute sich das Match von Andy Murray an und ging dann wieder. Ihr Besuch sorgte damals für helle Aufregung. Ihr ältester Sohn Charles III, im Mai zum König gekrönt, mag Sport auch nicht besonders. Er kam nur einmal vorbei, im Jahr 2012. Seine Frau Camilla erwies Wimbledon nun aber am Mittwoch die Reverenz. Und Prinzessin Kate, die Schutzherrin des Turniers, ist ein grosser Tennisfan. Früher stand sie sogar selber Schlange für Tickets. Der Knicks vor der Royal Box wurde übrigens 2003 abgeschafft.
Ein strikter Dresscode
Eine Einladung in die Royal Box erhöht den Marktwert von Promis, und ihre Agenten bemühen sich rege um eine Einladung. Doch die Organisatoren lassen sich nicht drängeln oder in die Karten blicken. Klar ist: Einladungen werden nur ganz selten ausgeschlagen. Beachten muss man indes den Dresscode. Frauen sollten in einem Kleid erscheinen, das über die Knie reicht, oder in einem Hosenanzug. Für die Männer sind Anzug und Krawatte Pflicht. Und Socken in den (eleganten) Schuhen.
Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg tauchte ohne Socken auf, ihm wurde dann aber ein Paar gegeben. Rekordmann Lewis Hamilton, bekannt für seinen extravaganten Modestil, verzichtete auf Jackett und Krawatte und wurde nicht in die Royal Box gelassen. So verpasste er den Final zwischen Federer und Djokovic. Er habe zwei Möglichkeiten gehabt, sagte damals ein Member des All England Club: sich anständige Kleider besorgen oder wieder nach Hause gehen.
Alan Chalmers, zuständig für die VIP-Eingangskontrollen, stärkte danach seinen Mitarbeitern in der britischen Presse den Rücken: «Wimbledon ist kein Strand in Marbella, es ist bedeutendes Tennisturnier.»
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