Analyse zu Putins RedeRusslands Machthaber inszeniert sich als Weltenlenker
Um sein Amt bangt der Kremlchef wohl nicht. Erklären muss er sich trotzdem. In seiner neuesten Ansprache ans Volk bedient er sich eines alten Tricks.
In zwei Wochen beginnt in Russland der Wahlkampf, und wenn Wladimir Putin auch nicht kämpfen muss um sein Amt, so muss er sich doch zumindest sehr rechtfertigen vor der Bevölkerung, der er so viel abverlangt. Es geht immerhin um sechs weitere Jahre als Kremlchef.
Jetzt hat er schon mal damit angefangen. Putin liess sich per Video zu einer Tagung des Weltkonzils des Russischen Volkes schalten, wo er den Westen niedermachte und sich selber natürlich gross. Das moderne Russland habe seine Souveränität als Weltmacht wiedergewonnen, sagte er etwa, was ihm besonders wichtig ist. Denn in der fernen Welt der Aussenpolitik lassen sich Ursachen und Wirkungen von Problemen am leichtesten umdeuten oder eine Partnerschaft mit Nordkorea wirkungsvoll übertreiben.
Er braucht das Feindbild des Westens. Wie sonst will er erklären, was schiefläuft im eigenen Land?
Dass Putin sein Land als Garanten einer stabilen Weltordnung darstellt, ist absurd, da er für den blutigen Angriffskrieg gegen die Ukraine verantwortlich ist, der Europa seit fast zwei Jahren erschüttert. Klar ist: Er braucht das Feindbild des Westens, der angeblich Russland ins Elend stürzen will. Wie sonst will er erklären, was schiefläuft im eigenen Land, für das er seit fast einem Vierteljahrhundert politisch verantwortlich ist?
Sicher, der russischen Wirtschaft geht es derzeit besser, als viele gedacht haben. Die Menschen in Russland leiden in ihrem Alltag trotzdem so stark wie seit vielen Jahren nicht. Ein neues Auto kaufen? Dafür müssen Russinnen und Russen jetzt 40 Monatsgehälter aufbringen. Auf immer mehr Dinge müssen sie verzichten, das freie Wort ist dabei für die meisten noch das geringere Problem.
Putin lässt eifrig Drohnen beschaffen und Artilleriemunition herstellen, doch Wohlstand und Reisefreiheit nehmen rapide ab. Wenige Monate vor seiner Bestätigung als Präsident möchte er alldem etwas entgegensetzen. Und bedient sich zur Ablenkung eines jahrtausendealten Rezepts: «Weltmacht» klingt in Russland immer gut.
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