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Wahlen in Russland
Eine Politikerin aus der Provinz fordert Putin heraus

«Wir wissen sehr gut, was passieren kann»: Jekaterina Dunzowa weiss, dass sie sich mit ihrer Kandidatur in eine riskante Position bringt.
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Jekaterina Dunzowa wagt etwas Grosses. Sie will gegen Wladimir Putin gewinnen. Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder, 40 Jahre alt, Provinzpolitikerin aus Rschew, 200 Kilometer westlich von Moskau, fordert den mächtigen Kremlchef heraus.

Auf ihrer Internetseite steht schon ein Bild von ihr im Stil eines Wahlplakats. Daneben der selbstbewusste Spruch: «Geben wir dem Land die Zukunft zurück! Jekaterina Dunzowa, Juristin und Journalistin, Präsidentschaftskandidatin Russlands.» Im März wird gewählt.

Zeit für etwas radikal Neues

Kremlchef Putin hat also eine erste Gegenkandidatin. Der Präsident selbst hat seine Kandidatur noch gar nicht offiziell erklärt, aber dass Putin wieder antritt für eine weitere sechsjährige Amtszeit, ist klar. Er lässt eben gern etwas warten. Jekaterina Dunzowa findet allerdings, es sei Zeit für etwas Neues. Etwas radikal Neues.

Als sie vor knapp zwei Wochen auf ihrem Telegram-Kanal ihren Kandidaturwunsch erklärte, schrieb sie: «Ich möchte, dass Russland eine blühende Demokratie wird und ein friedlicher Staat.» Derzeit sei ihr Land auf dem Weg, sich selber zu zerstören. «Mit jedem Tag wird das Leben der einfachen Menschen in Russland schwieriger.» Hunderttausende würden aus dem Land gedrängt, und die «Militäroperation» führe aussenpolitisch zur Isolation.

Dunzowa beklagt eine wachsende Zahl illegaler politischer Gefangener, vermeidet aber sorgsam den Begriff «Krieg», der sie die Kandidatur und möglicherweise sogar ihre Freiheit kosten könnte. Die Behörden sind wachsam. In der vergangenen Woche, so sagte sie, hat das Büro des Staatsanwalts sie zu einer Befragung gebeten. Es habe über ihre Kampagne diskutieren wollen und über ihre Haltung zu Russlands «Aktionen» in der Ukraine.

Dunzowa rechnet mit dem Misstrauen des Kreml. Den Begriff «Wahlen» setzt sie in Anführungszeichen.

Dunzowa steht erst am Anfang ihres Wegs. Sie muss 300’000 Unterschriften von Wählerinnen und Wählern aus mindestens 40 russischen Regionen zusammenbekommen. Die Erfahrung lehrt, dass sie besser mehr Unterschriften aus mehr Regionen sammeln sollte, denn wenn ihre Ausbeute allzu knapp ist, könnten die Behörden leicht an einzelnen Unterschriften etwas auszusetzen haben. Mit dem Misstrauen des Kreml rechnet Jekaterina Dunzowa ohnehin. Den Begriff «Wahlen» setzt sie in Anführungszeichen. Aber sie will es wenigstens versuchen.

Alles spricht im Grunde gegen die parteilose, liberale Bewerberin: zum einen Putins Machtapparat, der seit mehr als zwei Jahrzehnten erfahren darin ist, Rivalen kleinzuhalten, sie bei Bedarf notfalls auszuschliessen von der Wahl. Zum anderen auch Dunzowas politische Biografie. Die Journalistin und Juristin ist erst seit 2019 Abgeordnete in der städtischen Duma. Riskant wäre ihre Kandidatur für den Kreml nur dann, wenn sehr viele Russinnen und Russen in Jekaterina Dunzowa die Hoffnung auf andere Zeiten sähen.

«Ja, ich habe Angst», sagt Dunzowa

Neben Putin, der seit mehr als 20 Jahren regiert, wird damit gerechnet, dass auch Gennadi Sjuganow im März wieder für die russischen Kommunisten antritt, jener Mann, der schon in den Neunzigerjahren gegen Boris Jelzin kandidiert hatte. Und die im Land verbliebene liberale Opposition hat sich noch nicht auf eine Strategie einigen können. Dunzowa sieht darin ihre kleine Chance. Aber erkennt sie nicht die Gefahr?

Sie erzählt auf ihrem Telegram-Kanal, dass Freunde sie gefragt hätten: «Glaubst du ernsthaft, dass im heutigen Russland jemand durch diese Wahlen etwas verändert könnte?» Ob die Behörden sie überhaupt zuliessen, ob sie keine Angst habe, eingesperrt zu werden? «Ja, ich habe Angst», habe sie gesagt, «wie jeder normale Mensch.»

Dunzowa braucht Wahlkampfzentralen in den grossen Städten, Hilfe von Oppositionellen, die Risiken eingehen. Und sie weiss, dass die Behörden ihre Pläne durchkreuzen können. «Wir wissen sehr gut, was passieren kann.»