Spendensammlung der anderen Art«Wladimir Putin, do fuck off» – wie personalisierte Bomben der Ukraine helfen
Wer die Ukraine im Krieg unterstützen will, kann dies in verschiedenen Varianten tun. Eine besonders makabre und lukrative Art ist das Personalisieren von Artilleriegeschoss.
Geburtstagsglückwünsche auf einem Geschoss einer M777-Haubitze oder jemanden nach einem Date fragen mit einem gelenkten Artilleriegeschoss einer M982-Excalibur. Die Betreiber von Signmyrocket.com machen das mit nur wenigen Klicks möglich. Auf ihrer Website können die Nutzer eine Waffe auswählen, eine Nachricht eingeben und dann zur Kasse gehen. Die Preise reichen von 150 Dollar für eine Nachricht auf einem Geschoss einer Panzerhaubitze bis zu 5000 Dollar für eine Botschaft in weisser Farbe auf der gesamten Seite der M777-Haubitze. «Die signierte Haubitze wird die Invasoren mit Ihrem Text weiter bekämpfen», schreibt Sign My Rocket auf ihrer Website. Dazu gibt es ein Foto oder wahlweise auch ein Video, wie die signierte Artillerie eingesetzt wird. Die Einnahmen dienen «der Unterstützung von Einheiten der Streitkräfte der Ukraine, der territorialen Verteidigung und den Freiwilligen im Krieg», wie die Website verspricht.
«Es ist nicht sehr offiziell und auch nicht sehr erlaubt»
Gegründet wurde die Spendenaktion – die sich selbst als «Artillerieversand» bezeichnet – vom 21-jährigen Informatikstudenten Anton Sokolenko. Mit der Aktion will er den Rückgang der Spenden für das Zentrum für die Unterstützung der Armee, der Veteranen und ihrer Familien ausgleichen, für das er seit März ehrenamtlich tätig ist, wie die «New York Times» schreibt.
Gestartet hat Sokolenko mit einem Telegram-Kanal und dem Verkauf von personalisierten Mörsergranaten für 30 Dollar. Der 21-Jährige erkannte jedoch, dass Spender aus den USA, Grossbritannien, Deutschland, Kanada und der Schweiz noch mehr zahlen würden, wenn sie ihre Botschaften auf stärkeren Waffen anbringen könnten, wie er der «Washington Post» erklärte.
Um auch internationaler Kundschaft den Zugang zu ermöglichen, baute er eine Website auf. Mittlerweile bekomme er Anfragen aus der ganzen Welt, und 95 Prozent der Botschaften sind auf Englisch. Laut Angaben der Website hat das Team von Sokolenko binnen weniger Monate – mit rund 1800 Bestellungen – schon knapp 250’000 Dollar gesammelt. Damit konnte Sign My Rocket nach eigenen Angaben schon unter anderem 25 Autos, 15 Drohnen und 4 Starlink-Satelliten für die ukrainischen Streitkräfte finanzieren. Ein Video auf Twitter zeigt Sokolenko beim Bekleben eines Fahrzeugs, welches «bald an die Front geliefert wird».
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Im Gegenzug beschreiben die Soldaten die Waffen und fotografieren die Ergebnisse – um die Botschaften auf die Munition zu schreiben, erhielten sie mehr als 200 Permanentmarker von der Hilfsorganisation.
Sokolenko und sein Team hätten viele Kontakte zum Militär und können die Soldaten durch Mundpropaganda erreichen, wie er der «New York Times» sagte. Doch das Ganze sei nicht durch die Behörden beglaubigt. «Es ist nicht sehr offiziell und auch nicht sehr erlaubt», erklärte Sokolenko. «Aber die Soldaten müssen es irgendwie tun, weil wir ihnen Dinge geben können, die unsere Regierung ihnen im Moment nicht geben kann.»
Ein Soldat der mehrere Geschosse für Sign My Rocket beschriftet hat, erklärt der «Washington Post», er habe aufgrund des inoffiziellen Charakters der Aktion zuerst gezögert. «Ich habe nicht geglaubt, dass es echt ist.» Doch als seine Einheit Gebrauchtwagen und Ersatzreifen von Sign My Rocket erhielten, glaubte er an die Legitimation des Projekts. Es passiere jedoch alles ausserhalb der Kontrolle der Offiziere. «Die Vorgesetzten haben ein Auge zugedrückt», erklärt der Soldat.
Auf Anfrage der «New York Times» um eine Stellungnahme reagierte das ukrainische Verteidigungsministerium nicht.
«Dies ist eine schwule Bombe»
Die Botschaften auf den Kriegswaffen gehen von Hochzeitsanträgen bis Hassbotschaften an den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Artem Poliuchowytsch, ein 32-jähriger Ukrainer, suchte lange eine kreative Idee, um seiner Freundin einen Antrag zu machen. Er erwog, an einem Strand einer tropischen Insel auf die Knie zu gehen, oder in einem Heissluftballon. Schliesslich entschied er sich dann doch für eine Granate, die fürs russische Militär bestimmt war. «Das kann man in gewisser Weise als einen aggressiven Antrag betrachten», sagte er der «New York Times». Doch sie sagte Ja.
Weitere Granaten trugen die Aufschrift «Dies ist eine schwule Bombe» oder «Faschismus zu bekämpfen, ist ein Vollzeitjob». Laut «Washington Post» wurde eine Buk-Boden-Luft-Rakete mit der Beschriftung «Not for use on Malaysian Airlines» versehen – eine Anspielung auf den Absturz eines Passagierflugzeugs 2014. Prorussische Separatisten werden beschuldigt, mit demselben Raketensystem das Flugzeug vom Himmel geholt und so 298 Menschen getötet zu haben.
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Der Erfolg von Sokolenkos Site hat schon zu weiteren Nachahmern geführt. Die Website Revengefor – gegründet vom ukrainischen Informatiker Nazar Gulyk – wendet sich an Ausländer, die einen Groll gegen Moskau hegen und die Ukraine unterstützen wollen. «Hungersnot. Zerstörte Leben. Tote. Russland ist ein terroristischer Staat geworden. Es ist Zeit zu handeln», verkünden sie auf ihrer Website. «Helfen Sie den ukrainischen Soldaten, Russland für alles zu bestrafen.» Damit eine persönliche Botschaft ein Projektil ziert, muss mindestens 500 Dollar gespendet werden.
Geholfen haben laut eigenen Angaben schon 120 Personen aus der ganzen Welt. Die meisten Spenden kamen dabei aus der Ukraine selbst, gefolgt von den USA und Kanada. Insgesamt sollen binnen kurzer Zeit über 60’000 Dollar gesammelt worden sein. Die Gruppe spendet den Erlös an Come Back Alive, eine ukrainische Hilfsorganisation, die Soldaten mit Militärfahrzeugen und Überwachungsgeräten ausstattet.
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