Reform der WitwenrenteSVP-Kehrtwende: Dettling will plötzlich einen Deal
Eigentlich wollte die Volkspartei den Bundesrat bei der Kürzung der Witwenrenten unterstützen. Doch nach Kritik der Basis will sie einen Deal.

Der Präsident der SVP, Marcel Dettling, hat überraschend eine Kehrtwende seiner Partei bei der Haltung zur Witwenrentenreform angekündigt. Die SVP werde der Reform doch nicht bedingungslos zustimmen, sagt er zum «Blick». Die Rententhematik sei bei der eigenen Basis ein zu sensibles Thema, heisst es im Artikel vom Freitagmorgen.
«Der Staat verschenkt haufenweise Geld ins Ausland und will bei den eigenen Leuten sparen, das sorgt bei der Bevölkerung für Ärger.» Der Bundesrat solle zuerst bei sich selbst sparen statt auf dem Rücken von Witwen, so der Parteichef.
Nach dem Urteil des EGMR in Strassburg, wonach die Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen in der Schweiz diskriminierend sei, hat der Bundesrat eine Reform der AHV-Hinterlassenenrente ins Parlament gegeben. Er schlägt vor, keine lebenslangen Hinterlassenenrenten mehr auszuzahlen. Eine Rente für neu Verwitwete soll es maximal nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes geben. Auch laufende Renten könnten so teils gestrichen werden.
Dettling will Ehepaar-Plafond in der AHV anheben
Die AHV würde so im Jahr 2030 rund 350 Millionen Franken sparen, längerfristig vielleicht gar eine Milliarde, rechnet der Bundesrat vor. Bei den bürgerlichen Parteien stiess das auf breite Zustimmung. Auch die SVP tat ursprünglich ihre Unterstützung für den Vorschlag kund.
Jetzt will Dettling aber einen Deal: «Es braucht eine Gegenleistung. Die Witwenrente bietet in der Ehe einen Schutz, den wir nicht einseitig schwächen dürfen.» Sein Vorschlag wäre, den Ehepaar-Plafond in der AHV anzuheben.
«Wir bieten Hand zur Anpassung der Witwenrenten, wenn im Gegenzug der Ehepaar-Plafond in der AHV auf mindestens 175 Prozent steigt. Damit wird die Ehe besser geschützt.» Stand heute erhalten Ehepaare maximal 150 Prozent einer Altersrente, was 3675 Franken im Monat entspricht. Konkubinatspaare profitieren hingegen von zwei Einzelrenten, die sich zusammen bis auf 4900 Franken pro Haushalt summieren können – das will Dettling korrigieren, und begründet, damit das traditionelle Familienbild stärken zu wollen.
Umdenken in der SVP-Sozialpolitik?
Für die SVP ist das jetzige Einlenken ein bemerkenswerter Schritt: Ihre Basis hat in diesem Jahr bereits mehrmals in sozialpolitischen Fragen zu grossen Teilen mit links gestimmt. So etwa bei der 13. AHV-Rente oder der BVG-Reform. Die Partei selber ist in solchen Fragen aber seit Jahren wirtschaftsliberal eingestellt. Doch auch wenn die SVP beim wichtigsten Sozialwerk an der Basis vorbei politisiert, hat ihr das bisher nicht gross geschadet. Denn wer SVP wählt, tut das nicht wegen ihrer Sozialpolitik, sondern weil die Partei mit ihrem Anti-EU-Kurs und Forderungen nach einer restriktiven Ausländerpolitik punktet.
Dettling betonte bisher dann auch, es sei für eine so grosse Partei kein Problem, wenn es bei einzelnen Fragen zu abweichenden Meinungen komme. Nun macht er erstmals einen Schritt auf die Basis zu – und weg von der bisherigen SVP-Position.
Linke überrascht und trotzdem skeptisch
SVP-Nationalrat Thomas Aeschi soll den Vorschlag bereits nächste Woche in der zuständigen Kommission einbringen. Die SVP darf dabei auf Unterstützung aus der Mitte hoffen, die sich gerade ebenfalls für eine Anpassung des Plafonds einsetzt. Sie fordert gar eine vollständige Abschaffung. Für den SVP-Chef könnte das ein Ansatz sein, um «ein neues Paket zu schnüren» und ein «Signal an die Bevölkerung» zu senden.
Wenig begeistert von dem unerwarteten Fürsprecher zeigt sich die SP, welche die Abbaupläne bei den Witwenrenten von Anfang an kritisiert hatte. Es sei zwar schön, dass die SVP die Sozialpolitik für sich entdecken würde, wird SP-Fraktionspräsidentin Samira Marti zitiert. Die SVP mache dabei aber Verwitwete zum Bauernopfer in diesem «Kuhhandel». Man werde das nicht mittragen.
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