Kritik an Corona-MassnahmenWirtschaftspolitiker proben Aufstand gegen Covid-Taskforce
Der Bundesrat soll das Mandat der Forscher auflösen: Diese Forderung erhielt in der Wirtschaftskommission eine Mehrheit. Zunächst.
Der Ärger der bürgerlichen Wirtschaftspolitiker über die Wissenschafts-Taskforce ist gross: Zu alarmistisch und zu einseitig auf die epidemiologische Lage fixiert sei diese, kritisieren sie. Am Dienstag hätte das um ein Haar in einem Aufstand der Wirtschaftskommission des Nationalrats gemündet.
Der Bundesrat solle das Mandat der Taskforce auflösen, verlangte die SVP. Vergeblich beteuerte Bundesrat Alain Berset, die Taskforce sei vollständig unabhängig und nicht mit seinem Bundesamt für Gesundheit verbandelt. Eine Mehrheit der Kommission stimmte für den Antrag – ausgerechnet, weil zwei Linke bei der Abstimmung nicht im Sitzungszimmer waren. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran forderte umgehend eine Wiederholung, holte die Verstärkung herein, die Mehrheit kippte – der Aufstand war abgesagt. (Lesen Sie auch: Die Vorwürfe gegen die Taskforce im Check.)
Es ist nicht das erste Mal, dass die Wirtschaftspolitiker mit solchen Manövern liebäugeln. In der Frühlingssession wollte eine Mehrheit den Bundesrat bei den Corona-Massnahmen per Gesetz entmachten und zu Öffnungen zwingen – damals blies der Nationalrat die Revolution ab.
Diesmal belässt es die Wirtschaftskommission schliesslich bei einem braven Brief an den Bundesrat, ganz anders als die scharfen Schreiben der vergangenen Monate. Sie begnügt sich mit der Aufforderung an die Landesregierung, die Homeoffice-Pflicht abzuschaffen für alle Unternehmen, selbst für jene, die keine Covid-Massentests abhalten.
Martullo scheitert mit Masken-Antrag
«Bestehende Schutzkonzepte mit Abstand und Masken genügen am Arbeitsplatz», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, dessen Partei den Vorstoss eingebracht hat. Im Brief setzt die Wirtschaftskommission zudem ein Zeichen: Sie erinnert den Bundesrat daran, die wirtschaftlichen Aspekte bei Massnahmenentscheiden stärker zu berücksichtigen, wie es das Covid-Gesetz verlange. Zudem wird sie im August ein Wirtschafts-Hearing abhalten, unter anderem mit dem Nationalbankpräsidenten Thomas Jordan, um die wirtschaftspolitischen Fragen der Zeit nach Covid zu diskutieren.
Mit weiteren Anträgen unterlag die SVP. Thomas Aeschi wollte eine ganze Reihe von Schutzmassnahmen abbauen, sobald 65 Prozent der Senioren geimpft sind. Weiter forderte er, die unterschiedliche Behandlung von Flug- und Landreisenden an der Grenze zu beenden – also entweder von allen Tests zu verlangen oder eben – lieber – von niemandem. Abgelehnt wurde auch ein Antrag von Magdalena Martullo-Blocher, die Maskenpflicht für Geimpfte aufzuheben. Diese Bestimmung sei nicht kontrollierbar, wandte die Kommissionsmehrheit ein.
Seilziehen um Härtefallgelder
In der Sitzung musste sich Gesundheitsminister Berset zudem vorwerfen lassen, er verzögere die weiteren Öffnungen zu sehr. Allerdings lehnten es diesmal auch bürgerliche Wirtschaftspolitiker wie Mitte-Nationalrat Leo Müller ab, den nächsten Schritt sofort statt erst Ende Mai zu machen. Ein Anliegen von Gewerbeverbandspräsident Fabio Regazzi fand Unterstützung: Um Anlässe zu erleichtern, sollten Veranstaltungen draussen rasch mit 1000 statt nur 300 Personen erlaubt werden.
Schwer tut sich der Bund mit Hilfsgeldern für Gastrounternehmen wie Kantinenbetreiber. Weil sie viele abhängige Filialen in einem Unternehmen führen, sprengen ihre Gesuche den Rahmen der Härtefallhilfen. Beiträge an sie sollen gemäss dem Willen der Kommission aber nicht auf 10 Millionen Franken begrenzt, sondern einzelfallbasiert geprüft werden. «Sie mussten nicht direkt wegen der Massnahmen den Betrieb einstellen, erlitten aber grosse Verluste, weil die Leute zu Hause blieben. Sie dürfen nicht durch die Maschen fallen», sagt Müller. Jacqueline Badran ärgert sich: Dieses Problem sei seit Februar bekannt und hätte längst gelöst werden können. Damals aber sei sie mit ihren Vorschlägen aufgelaufen.
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