AboEU-Vizechefin im Interview«Wir waren nicht naiv. Wir waren gierig»
Der Ukrainekrieg zeigte: Europa braucht ein neues Wirtschaftsmodell. Das sagt EU-Vizechefin Margrethe Vestager und erklärt, wie wir künftig mit teureren Rohstoffen und Lieferketten handeln sollen.
Frau Vestager, Europas Industrie hat lange vom billigen Gas aus Russland profitiert. Werden diese guten alten Zeiten wiederkommen?
Nein, wir können zu nichts zurückkehren. Hinter uns liegt nur Dunkelheit. Und die guten alten Zeiten waren gar nicht so gut, denn wir haben den Planeten ausgebeutet, und das ist langfristig nicht nachhaltig. Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell für Europa. Was siebzig Jahre lang Wohlstand geschaffen hat, war die Kombination von sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften, Forschung und Entwicklung innerhalb Europas plus billigen Rohstoffen und billiger Energie, die von ausserhalb der EU kamen. Und dazu noch von billiger Arbeitskraft bei Zulieferern ausserhalb der EU. Doch Rohstoffe, Energie und Lieferketten werden künftig teurer sein. Denn wir haben festgestellt, dass wir für diese billigen Einfuhren de facto einen hohen Preis gezahlt haben: Wir sind ein Risiko eingegangen, haben uns abhängig gemacht und leiden nun darunter.