AboInterview zu Russlands Krieg«Wir stehen jetzt am Anfang einer grossen Katastrophe»
Europa unterschätze Putins Psychopolitik, sagt der ukrainische Philosoph Vasyl Cherepanyn. Der Angriff auf sein Land sei Teil eines kolonialen Projekts Russlands.
Herr Cherepanyn, Sie befinden sich in Kiew und schreiben Ihre E-Mails zwischen Stromausfällen. Wie schätzen Sie die Lage in der Ukraine derzeit ein? Laut Experten sollen Friedensverhandlungen immer wahrscheinlicher werden.
Sicher ist, dass die Ukraine international anerkannte Grenzen haben muss. Andernfalls kann sich ganz Osteuropa auf Krieg einstellen. Wir müssen klar sehen, dass dieser Krieg nicht erst im Februar 2022 angefangen hat, sondern schon viel früher, als Russland die Krim besetzte und Teile der Ostukraine. Im Unterschied zu damals haben wir jetzt einfach eine vollständige russische Invasion. Das hätte auch schon früher passieren können, aber früher war das an die Ukraine grenzende Weissrussland eben nicht militärisch besetzt. Heute ist der Staat komplett von Russland beherrscht. Für Europa ist das äusserst gefährlich.