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Trotz Lockdown geöffnet
Willkommen im Geister-Restaurant

Sehnsucht nach Essen im Restaurant: Laut Kennern gibt es mehr Wirte, die ihre Beizen illegal für Gäste öffnen.

Die Gäste kommen durch den Hintereingang, werden im Säli bedient, und bei einem feinen Essen und einer guten Flasche Wein ist Corona zumindest für einige Stunden weit weg. Obschon die Restaurants in der Schweiz offiziell seit kurz vor Weihnachten geschlossen sind, gibt es Leute, die zwei- bis dreimal pro Woche auswärts essen. «Es hat immer mehr offene Restaurants», sagt ein anonym bleibender Gast der Walliser Zeitung «Le Nouvelliste». Und er habe immer weniger Probleme, Adressen zu finden.

Das Phänomen der illegalen Geister-Restaurants ist nicht neu – schon gar nicht im Wallis. Die Beizen-Affäre der bekannten Staatsräte Christophe Darbellay und Roberto Schmidt hatte landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die beiden CVP-Politiker hatten verbotenerweise in einem Restaurant zu Mittag gegessen. Ihre Begründung: Es habe sich um ein rein privates Treffen gehandelt, zu viert in einem grossen, leeren Raum. «Die spontane Gastfreundschaft im familiären Kreis konnten wir schwer ablehnen», sagte Schmidt. Im «Nouvelliste»-Artikel kommentiert einer der zitierten Restaurantbesucher die Affäre süffisant: «Wenn die Politiker wollen, dass wir nicht mehr ins Restaurant gehen, sollten sie aufhören, selbst dort zu essen.»

Rindsfilet statt Pizza

Die meisten der illegal arbeitenden Wirte sind diskret. Sie verpflegen Stammkunden und deren Freunde. «Wir sind maximal zehn Personen – und können sogar rauchen», sagt ein Unternehmer dem «Nouvelliste». «An einen Ort mit 50 Leuten würde ich nicht gehen.»

Die Gäste lassen sich die Besuche etwas kosten. Wegen einer Pizza geht kaum jemand in ein Geister-Restaurant. «Viel eher, um ein Rindsfilet zu essen und einige gute Flaschen Wein zu trinken», sagt der Unternehmer. Zwischen 100 und 200 Franken pro Person geben die Gäste für ein Essen im klandestinen Rahmen aus. Das bestätigen mehrere Wirte, die für einen kleinen Kreis kochen und so versuchen, den durch die Pandemie entstandenen Schaden zu begrenzen.

Wie gross das Risiko ist, dabei erwischt zu werden, lässt sich schwer abschätzen. Ein Beizer sagt dem «Nouvelliste», er habe zwischen Dezember und Mitte März eine illegale Table d’Hôte namens Al Capone betrieben – und sei dann von der lokalen Polizei erwischt worden. «Ich habe sofort aufgehört, weil ich wusste: Beim ersten Mal klopfen sie uns nur auf die Finger.»

Die Walliser Kantonspolizei musste bisher fünfzehnmal ausrücken wegen illegal geöffneter Restaurants, sagt ein Sprecher. Von einem verbreiteten Phänomen im Bergkanton will er nicht reden. In Zürich, der grössten Schweizer Stadt, hat die Polizei seit dem 22. Dezember rund ein Dutzend illegal geöffnete Restaurants ausfindig gemacht.

Essen für Fake-Hotelgäste

Für Gastronomen ist das Risiko, erwischt zu werden, grösser als für Hotelbesitzer. Letztere können die zurzeit geltenden Corona-Massnahmen einfacher umgehen. Schweizweit gibt es immer wieder Fälle, in denen Gäste sich in den regulär geöffneten Hotelrestaurants verköstigen – ohne dort zu übernachten. Die dabei angewendeten Tricks sind simpel: Fake-Hotelgäste erhalten nach der Buchung ihr Geld für das Zimmer wieder zurück. Oder sie müssen ein kleines Entgelt entrichten, um als Hotelgast registriert zu werden. «Solche Schlaumeier gibt es nicht nur bei uns, sondern überall in der Schweiz», kommentiert ein Sprecher der Walliser Kantonspolizei die Praxis. Die Kontrolle gestalte sich schwierig.

Das «St. Galler Tagblatt» machte gestern einen Fall publik, bei dem allerdings unklar ist, ob es tatsächlich zum Verstoss gegen die Corona-Massnahmen gekommen ist. So soll der Wirt eines bekannten Berggasthauses im Appenzell Tagesgästen ermöglicht haben, gegen eine Gebühr von fünf Franken im Restaurant zu speisen. Das Arbeitsinspektorat in Herisau hat sich des Falls angenommen. Der Wirt weist die Vorwürfe zurück und hält fest, dass er für einen Fünfliber sicher keine Gäste eingelassen hätte.

Bekannt ist auch der Fall eines Hoteliers in Emmen, der mit einer Werbeaktion für Empörung gesorgt hatte: «Buche dein Pro-forma-Zimmer für den aktuellen oder den Folgetag und geniesse dein Essen bis um 23 Uhr. Wir sorgen dafür, dass alles beim Alten bleibt.» Später krebste er zurück und machte geltend, er habe sich falsch ausgedrückt.

Ein gewisses Verständnis bei Gastro Suisse

Dass viele Leute einfach im Hotelrestaurant essen, stösst den Gastronomen sauer auf. Im Wallis waren die Hotels laut der Kantonspolizei über Ostern voll. «Wir sind die Geprellten», ärgert sich eine Restaurantbesitzerin über die Ungleichbehandlung und spricht von einer Farce. Auch Gastro Suisse spürt den wachsenden Unmut. Der Branchenverband kämpft seit Monaten gegen die Restaurant-Zwangsschliessungen. Sein Mantra: Das Ansteckungsrisiko in der Beiz sei gering, der Branchenlockdown nicht nachvollziehbar. (Lesen Sie dazu: Wie gross ist das Risiko, sich im Restaurant anzustecken)

Von illegalen Restaurantöffnungen distanziert sich der Verband aber. «Für Gastro Suisse ist klar, dass man sich an die von Bund und Kantonen verordneten Massnahmen halten soll. Allerdings ist jeder Unternehmer für seine Entscheidungen selber verantwortlich», heisst es auf Anfrage. Verständnis für den zivilen Ungehorsam einiger Wirte äussert der Verband dennoch. Viele Inhaber seien finanziell am Limit. «Wir verstehen sehr gut, dass sie Möglichkeiten in Betracht ziehen, damit sie Gäste bewirten und so wieder Geld verdienen können.»

nlu