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Katastrophale ökologische Folgen
Wieso Australien nichts gegen den Klimawandel unternimmt

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Als Scott Morrison die Nachricht hörte, tat er «ein bisschen einen Freudenhüpfer», wie er sogleich mitteilte. Was Australiens Premierminister so erfreute und die Klimaschützer seines Landes empörte, kam aus der Vorstandsetage im glasverkleideten Büroturm des Energieriesen Woodside im westaustralischen Perth. Dort war Ende November die endgültige Entscheidung über eines der grössten Bergbauprojekte des Landes gefallen: Umgerechnet etwa zehn Milliarden Euro wird der Konzern in die Erschliessung eines riesigen Gasfelds im Indischen Ozean investieren.

Über eine 430 Kilometer lange Pipeline soll das Gas in eine Verflüssigungsanlage an der Küste strömen und von dort auf Tankschiffe, die es dann Richtung Asien bringen. Dort verfeuert, wird das Gas aus dem Scarborough-Feld in reichlich Strom umgewandelt – aber auch in mehr als 1,5 Milliarden Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid, so haben Klimaschützer ausgerechnet.

Kein Interesse an Klimazielen

«Scarborough zeigt wieder einmal, dass die Regierung keinerlei Absicht hat, die Klimaziele des Abkommens von Paris einzuhalten», sagt der Klimaforscher Will Steffen. Der emeritierte Professor der Australian National University in Canberra ist Mitglied des australischen Klimarats, in dem führende Wissenschaftler versuchen, die Regierenden ihres Landes zu einer wirksameren Klimaschutzpolitik zu bewegen.

Bislang allerdings ziemlich vergeblich. Zwar trifft die Klimakrise den in weiten Bereichen schon jetzt heissen und trockenen Kontinent besonders. Das belegen immer öfter ausbrechende Feuersbrünste und Dürren ebenso wie das
Korallensterben im Weltnaturerbe des Great-Barrier-Riffs. Im jüngsten Klimaschutzindex der Organisation Germanwatch aber bekommt Australiens Klimapolitik genau null Punkte und damit den letzten Platz unter 60 untersuchten Ländern, noch hinter Saudiarabien.

Ein Projekt zur Unzeit

Tatsächlich fällt der Startschuss für das Riesengasprojekt in eine Zeit, in der die Internationale Energieagentur der westlichen Industriestaaten – in der auch Australien Mitglied ist – vor jeglicher Neuerschliessung von Kohle-, Öl- und eben auch Gasvorkommen warnt, wolle die Welt die 2015 im Abkommen von Paris anvisierte 1,5-Grad-Erwärmungsschwelle nicht überschreiten. Und er fällt kurz nach der Klimakonferenz von Glasgow, in der sich die Staaten der Welt verpflichtet haben, stärker als bisher gegen die Erderhitzung vorzugehen.

Auch Morrison versicherte in Glasgow, die Australier wollten, dass etwas gegen den Klimawandel getan werde, «und das will ich auch». Das aber müsse «auf australische Art» geschehen, fügte er an. Wie Klimaschutz australischer Art aussehen könnte, liess er jedoch im Vagen, nur in einem Punkt zeigte er sich konkret und kämpferisch: «Wir wollen, dass unsere Schwerindustrien wie der Bergbau offen und wettbewerbsfähig bleiben.»

Meister im Nichtstun: Der australische Premier Scott Morrison. 

Kaum zurück aus Glasgow, liess der Premier die Minister seiner liberal-konservativen Koalition ausschwärmen und verkünden, dass kein Grund bestehe, an Australiens Klimazielen für das Jahr 2030 etwas zu ändern. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der CO₂-Ausstoss gegenüber 2005 um 26 bis 28 Prozent zurückgehen und damit in etwa wieder das Niveau von 1990 erreichen. Zum Vergleich: Deutschland will bis zum Ende der Dekade seinen Ausstoss von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 65 Prozent senken.

Dabei zählt Australien im internationalen Vergleich zu den schlimmsten Klimasündern. Durchschnittlich bläst jeder Australier etwa doppelt so viel CO₂ in die Atmosphäre als ein Deutscher, sogar etwas mehr als ein US-Amerikaner. Und in dieser Rechnung ist die Rolle des neben Indonesien grössten Kohleexporteurs der Welt gar nicht eingerechnet – in der Bilanz zählen die CO₂-Emissionen aus australischer Steinkohle erst dort, wo diese verbrannt wird, ob in deutschen Hochöfen oder indischen Kraftwerken.

Drei-Worte-Slogans statt Taten

Bis 2050 allerdings, darauf hat sich die liberal-konservative Koalition mühsam geeinigt, sollen Australiens Emissionen bei netto null liegen, also nicht mehr Treibhausgase ausgestossen wie wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Doch an den von Morrison vorgelegten Rechnungen, wie dieses Net Zero zu erreichen ist, scheiden sich die Geister.

«Da ist nichts drin, was dem Ziel auch nur nahekommt», sagt der Klimaforscher Steffen, «nur die Drei-Worte-Slogans, die unser Premierminister so liebt.» Er setze auf «Technik statt Steuern», betont Morrison tatsächlich. Das soll heissen: Dem CO₂-Ausstoss einen Preis zu geben, lehnt seine Regierung ab – wie alles, was zu geringeren Gewinnen der mächtigen Bergbaukonzerne und zu höheren Strom- oder Benzinpreisen für die Wähler führen könnte.

Der Premier vertraut auf Technologien, die noch nicht existieren

Stattdessen sollen neue Techniken wie etwa die Abscheidung von CO₂ aus den Abgasen und dessen Speicherung in unterirdischen Lagerstätten das Problem aus der Atmosphäre bannen – eine Methode, die noch weitgehend unerprobt ist. 15 Prozent der CO₂-Einsparungen sollen, so Morrisons Plan, gar Technologien erbringen, die es noch überhaupt nicht gibt, von denen der Premier sich aber überzeugt zeigt, dass sie bis 2050 erfunden werden. Zur Subvention klimafreundlicher Techniken hat er einen Topf eingerichtet, in den in den kommenden acht Jahren umgerechnet zwölf Milliarden Euro fliessen – also nicht viel mehr Geld, als die Bergbauindustrie in ein einziges Gasprojekt steckt.

Am Freitag hat die oppositionelle Labor Party der Regierung ihre Ziele entgegengestellt. Gewinnt sie die für kommenden Mai erwartete Wahl, streben sie ein CO₂-Minus von 43 Prozent bis 2030 an. Auch das reicht nach Ansicht von Klimaforschern bei weitem nicht, zeigt aber ein Dilemma nicht nur australischer Klimapolitik: Vor knapp drei Jahren waren Labors Ziele noch ehrgeiziger. Aber damals verlor Labor die Wahl.