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Coronavirus und andere Zoonosen
Wie Umweltzerstörung neue Epidemien begünstigt

Forscher der Universität Warschau warnten schon 2018 vor dem Aufkommen eines neuartigen Coronavirus durch verstärkten Kontakt mit Fledermäusen.
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Dichter Rauch hing im Herbst des Jahres 1997 über Indonesien. Brände vernichteten innerhalb von drei Monaten fünf Millionen Hektar Wald, die Rauchschwaden zogen bis in den Dschungel Malaysias. Dort fanden Flughunde kaum noch Nahrung - die Obstbäume, von deren Früchten sich die Tiere ernähren, blühten inmitten des Smogs kaum noch. Der Hunger trieb die Fledertiere raus aus dem Urwald, näher zum Menschen. Fündig wurden sie rund um Schweinemastbetriebe, wo tropische Ramputan- und Durianbäume wuchsen. Angefressene Früchte liessen die Fledertiere in die Schweineställe fallen. Und damit auch das Nipah-Virus in ihrem Speichel.

Während dieses sogenannte Paramyxovirus für die Flughunde selbst ungefährlich ist, erkrankten die Schweine reihenweise - und nicht nur sie. Eineinhalb Jahre später hatten sich in Malaysia 265 Menschen bei den Schweinen mit dem Virus angesteckt, 105 starben an einer schweren Gehirnhautentzündung. Das Nipah-Virus ist geblieben: Mittlerweile flammt es regelmässig auch in Indien und Bangladesch auf. Bis zu drei Viertel aller Erkrankten sterben. Vom ursprünglichen Wirt hat es sich emanzipiert, es kann auch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden.

Ebola, HIV, Marburgfieber, Vogelgrippe, Mers, Zika oder Nipah sind Beispiele für Tierkrankheiten, sogenannte Zoonosen, die in den vergangenen Jahrzehnten auf den Menschen übergegangen sind. Das jüngste Beispiel ist das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2, das sich zur globalen Pandemie entwickelt hat. Diese Erreger haben womöglich mehr gemein als den Ursprung im Tier: Bei vielen könnte auch schrumpfender Lebensraum und Umweltzerstörung eine Rolle in der Ausbreitung spielen.

Die Tiere sind das Reservoir für Coronaviren

Die Corona-Pandemie lässt sich nach derzeitigen Erkenntnissen zwar nicht auf Abholzung zurückführen. Doch rührt auch sie von einer zu grossen Nähe zwischen Mensch und Tier: Vermutlich sprang das Virus auf einem Wildtiermarkt in Wuhan über einen Zwischenwirt auf den Menschen über. Dieser Zwischenwirt, vielleicht ein kleines Säugetier, steckte sich womöglich bei einer Fledermaus an.

Ein Zusammenhang zu Fledermäusen ist nicht eindeutig belegt. Allerdings sind Fledermäuse und die mit ihnen verwandten Flughunde das Reservoir für mindestens 3200 Coronaviren - zugleich sind diese Tiere stark vom Vorrücken des Menschen betroffen.

«Das biologische Problem einer Virus-Entstehung hat sich nicht fundamental verändert. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Risiko eintritt, infolge von Umweltveränderungen und höherem Druck auf die Umwelt», schreiben Forscher um Aneta Afelt von der Universität Warschau in einer 2018 erschienen Studie in Frontiers in Microbiology. Darin warnen sie vor dem Aufkommen eines neuartigen Coronavirus beim Menschen durch verstärkten Kontakt mit Fledermäusen. Vor allem der Verlust von Wäldern erhöhe das Risiko dafür. So gingen in Südostasien in den vergangenen 40 Jahren 30 Prozent der Waldbedeckung verloren, während sich Plantagen und Städte ausdehnten. Weltweit werden zudem mehr als 160 Fledermausarten für ihr Fleisch oder aus medizinischen Gründen gejagt. In den nächsten zehn Jahren dürfte die Bevölkerung Südostasiens um weitere 250 Millionen Menschen wachsen. Damit rücken Fledermäuse noch näher zum Menschen.

Es mag widersprüchlich erscheinen: Schliesslich verschwinden viele Arten eher, wenn ihr Lebensraum schrumpft. Das gilt jedoch nicht unbedingt für Fledermäuse, die sich in «anthropisierten Nischen" ganz wohl fühlen. Sie finden etwa Unterschlupf in Ställen oder Speichern. Sie zehren von Obsthainen, jagen Insekten, die vom Licht der Städte angezogen werden. Damit steigt das Risiko, dass ein Fledermaus-Virus auf den Menschen überspringt und sich rasend schnell weiterverbreitet. «In so einem Fall ist das Risiko einer grossen Epidemie sehr hoch, sowie eine hohe Mortalität», schreiben die Forscher um Afelt. 2013 warnten andere Wissenschaftler in Nature Reviews Microbiology, das Risiko, dass sich ein neuartiges Coronavirus unter einer Bevölkerung ohne Immunität ausbreite, sei hoch.

Rodung des Regenwaldes führt zu Ausbreitung der Malaria-Mücken

Gefahren gehen aber auch von anderen Arten aus. Kürzlich wiesen die Biologen Andrew MacDonald und Erin Mordecai von der Stanford Universität im Fachmagazin PNAS nach, dass die Abholzung im Amazonas die Übertragung von Malaria durch Stechmücken begünstigt. Eine um zehn Prozent höhere Abholzungsrate führt demnach zu 3,3 Prozent mehr Infektionen, was auf das gesamte Amazonasgebiet bezogen schnell einige Zehntausend Fälle ausmachen kann. Vermutlich finden die Mücken der Art Anopheles darlingi entlang der abgeholzten Waldränder ideale Bedingungen für die Brut ihrer Nachkommen. Zudem sind durch die Abholzung oder das Anlegen von Palmölplantagen mehr Menschen vor Ort, was Mückenstiche wahrscheinlicher macht.

Auch die Ausbreitung des Lassa-Fiebers in Afrika bringen einige Biologen mit Umweltveränderungen in Verbindung. Die um sich greifende Wüstenbildung lässt den Lebensraum der Natal-Vielzitzenmaus schwinden, den Überträger der Krankheit auf den Menschen. Stattdessen breitet sich der Nager in westafrikanischen Städten aus.

«Wenn Ökosysteme zerstört werden, sehen wir häufig eine Einengung auf bestimmte Viren», sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Damit steige die Übertragungswahrscheinlichkeit auf den Menschen. Insbesondere Südostasien sei der «absolute Hotspot» für solche Ereignisse, sagt der Virologe. «Weil es dort so ein breites Spektrum an Wildtieren gibt, das führt zu einer breiten Prävalenz von Viren.» Zugleich dringe dort der Mensch besonders stark vor.

Kontakte zwischen Mensch und Wildtieren minimieren

Eine Gegenstrategie ist, unbekannte Erreger aktiv zu durchleuchten. «Die Dunkelziffer ist enorm, wir sprechen von Millionen von Viren», sagt Schmidt-Chanasit. Welche das Potenzial haben, Menschen zu infizieren, lasse sich experimentell nachweisen, das erfordere aber umfangreiche Studien. Wenn man wisse, in welchen Wirten ein Virus vorkomme, über welche Zwischenwirte er sich verbreite, wie das Immunsystem des Menschen darauf reagiere, liesse sich der Verlauf einer Epidemie besser abschätzen. Schmidt-Chanasit hält es für möglich, so zu einer Risikoliste von vielleicht 50 Viren zu kommen, auf die man sich vorbereiten könnte. Das erfordere aber enorme Ressourcen, gibt der Virologe zu bedenken.

Zugleich liesse sich damit immer noch nicht vorhersagen, ob, wann und wo ein Virus auf den Menschen überspringt. Hier hilft nur, Kontakte zwischen Mensch und Wildtieren zu minimieren. «Da gibt es einige naheliegende Lösungen, etwa das Schliessen von Fleischmärkten, wie es schon in China geschehen ist», sagt Josef Settele, Mitautor des IPBES-Berichts zur globalen Artenvielfalt. Schon solche Massnahmen seien vielerorts schwer durchsetzbar, etwa aufgrund von Wilderei. Und einen Hinterhof-Markt dicht zu machen, stoppt natürlich nicht den Bau neuer Häuser, das Abholzen von Bäumen oder das Anlegen neuer Felder in Urwaldnähe, also grosse Trends in etlichen Entwicklungsländern. Die Bekämpfung neuer Infektionskrankheiten sei damit eng mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der natürlichen Ressourcen verknüpft, sagt Settele. «Im Wesentlichen geht es da aber um Fragen der Wirtschaft und der Verwaltung. Der Biologe kann da gar nicht so viel beitragen.»