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Krisenherde Serbien und Kosovo
Wie sich das Coronavirus im Balkan ausbreitet

Der serbische Staatschef Aleksandar Vucic hielt trotz steigender Fallzahlen Wahlen ab – zum Ärger einiger Demonstranten vor dem Belgrader Parlamentsgebäude.
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Die Stimmen werden immer lauter, die von der Schweiz strengere Massnahmen bei Einreisenden aus dem Balkan verlangen. Nachdem sechs Männer nach einer Party in Serbiens Hauptstadt Belgrad nach der Rückkehr in Graubünden in Isolation gesteckt worden waren, verlangte die SVP am Dienstag in einer Mitteilung an den Bundesrat eine zweiwöchige Quarantäne für Einreisende aus Ländern mit hohen Infektionszahlen. Auch Politiker anderer Parteien äusserten gegenüber dieser Zeitung den Wunsch einer Regimeverschärfung.

Tatsächlich stammen viele der «importierten» Fälle aus dem Ausland. Obwohl Stefan Kuster, Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit, vergangene Woche noch von vermehrt «importierten» Fällen aus Serbien sprach, betrifft das Problem offenbar die ganze Balkanhalbinsel. Der Grossteil der «importierten» Fälle stamme aus dieser Region, sagte der Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz, Rudolf Hauri.

Von der Erfolgsgeschichte zum Sorgenkind

Dass sich derzeit viele in dieser Region anstecken, überrascht angesichts der momentanen Situation vor Ort jedoch nicht. Einige der Balkanstaaten erleben derzeit einen Wiederanstieg der Corona-Fallzahlen.

Serbien etwa verzeichnet gemäss offiziellen Angaben bei täglich etwa 7000 Tests über 200 Neuinfektionen pro Tag. Die Verlässlichkeit der Behördenangaben wird jedoch angezweifelt. Das Balkan Investigative Reporting Network bezifferte die Fallzahlen vergangene Woche etwa auf das Dreifache.

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Genau wie Serbien erleben derzeit auch andere Balkanstaaten eine zweite Corona-Welle, nachdem die Lage auf der ganzen Halbinsel lange Zeit weitgehend gut aussah. Die erste Welle schien gebändigt, die Fallzahlen pendelten sich auf tiefem zweistelligem Niveau ein. Mancherorts wurden über mehrere Tage gar keine neuen Infektionen mehr gemeldet.

Die kosovarische Parlamentspräsidentin Vjosa Osmani meinte auf Twitter, Kosovo habe sich von einer Erfolgsgeschichte in der Pandemiebekämpfung zu einem Sorgenkind entwickelt. Tatsächlich schien die Republik die Wende geschafft zu haben, als die Behörden im Mai und auch noch Anfang Juni Infektionszahlen im tiefen zweistelligen oder sogar einstelligen Bereich vermeldeten. Inzwischen rutschen diese nur noch selten unter 50 neu gemeldete Infektionen, übertreffen wie am Montag etwa auch mal die 100er-Grenze – bei etwas mehr als 200 Tests pro Tag.

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Ein ähnlich starker Trend nach oben zeigt sich momentan auch in Nordmazedonien. Das Binnenland mit gut 2 Millionen Einwohnern nördlich von Griechenland meldet nun fast täglich bis 200 Neuinfektionen bei etwa 1000 Tests pro Tag. Bis Ende Mai lagen jedoch auch hier die Fallzahlen im tiefen zweistelligen Bereich. Auslöser der zweiten Welle sollen Familienzusammenkünfte anlässlich des abgeschlossenen Ramadan gewesen sein.

Regierungen haben streng reagiert – und schnell gelockert

Zu Beginn der Pandemie wurden in der Region schnell Massnahmen ergriffen. Albanien zum Beispiel verzeichnete die ersten Corona-Fälle am 8. März. Noch am selben Tag verfügte die Regierung einen Stopp aller Flüge und Fähren nach Norditalien, das damals vom Coronavirus besonders stark betroffen war, schloss alle Schulen und sagte alle grösseren geplanten Menschenansammlungen ab. Ab dem 10. März befand sich das Land im Lockdown. Auch in Bulgarien folgte fünf Tage nach dem ersten Fall bereits eine landesweite Ausgangssperre.

Das strenge Eingreifen funktionierte, die offiziellen Fallzahlen blieben vielerorts tief. Doch dann entschieden sich einige Regierungen zu voreiligen Lockerungsübungen. Bulgarien lockerte seine Einschränkungen am 15. Juni – trotz steigender Anzahl Neuinfizierter. So entfiel beispielsweise die Pflicht, in Geschäften, Kinos und Theatern eine Schutzmaske zu tragen.

Serbien begab sich als eines der ersten europäischen Länder in den Entspannungszustand. Inzwischen fand ein Fussballspiel mit über 20’000 Zuschauern statt, ein unbekümmertes Tennisturnier mit Novak Djokovic als Veranstalter sowie Parlamentswahlen – ebenfalls nur mit beschränkten Hygienemassnahmen. Inzwischen gilt in Serbien jedoch eine Maskenpflicht.

Repression statt Eigenverantwortung

Dass das Volk an Disziplin verliert, hat laut dem Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Belgrad, Max Brändle, mit der einseitigen, auf Repression setzenden Strategie der einzelnen Regierungen im Balkan zu tun. An das Gefühl der Eigenverantwortung im Umgang mit dem Virus sei kaum appelliert worden, sagte Brändle der NZZ. Entsprechend wenig halte man sich nun an die Empfehlungen der Behörden. Verstärkend komme hinzu, dass die Massnahmen nicht graduell zurückgenommen worden seien. «Die Leute sind wie von der Kette gelassen», so Brändle.

Das könnte Konsequenzen für die vom Tourismus stark abhängigen Balkanstaaten haben. Die EU-Länder haben gemäss der Deutschen Presse-Agentur bereits angekündigt, die wegen der Corona-Pandemie verhängten Einreisebeschränkungen für Menschen aus Drittstaaten mit erhöhten Fallzahlen vorerst aufrechtzuerhalten. Dazu würde momentan auch Serbien gehören. Wegen der epidemiologischen Situation behält die EU zudem die Einreisesperre für Personen aus Kosovo über den 1. Juli hinaus aufrecht.

Auch innerhalb der Balkanstaaten zeigen sich vereinzelte Länder nun vorsichtiger. Kroatien, ein Land, das von einem grösseren Anstieg der Fallzahlen bisher verschont geblieben war, hat eine 14-tägige Quarantäne für Einreisende aus Kosovo, Nordmazedonien und Serbien beschlossen. Grund ist gemäss der örtlichen Zivilschutzbehörde der Anstieg der Neuinfektionen in der vergangenen Woche. Die Vorschrift zur Selbstisolation gilt auch für kroatische Staatsbürger.

Noch keine Massnahmen von Bundesseite

Die Zürcher Kantonsärztin Christiane Meier zeigte sich angesichts der zunehmenden Fälle im Zusammenhang mit Reiserückkehrern aus dem Balkan besorgt, besonders im Hinblick auf die bevorstehenden Sommerferien, wenn viele in ihre Ursprungsländer reisten. Gemäss dem Bundesamt für Statistik waren dies im Jahr 2018 über eine Million Menschen, die nach Südosteuropa reisten und dort übernachteten – Tendenz steigend.

Wie die offizielle Schweiz dem in diesem Jahr begegnen will, ist noch unklar, zumal auch das erwartete Reiseaufkommen noch nicht absehbar ist. Bislang hat es der Bund jedoch unterlassen, Massnahmen für Schweizer Bürger betreffend Ein- oder Ausreisen in und aus stark betroffenen Gebieten zu verordnen. Eine Mediensprecherin des Bundesamtes für Gesundheit, das allfällige Massnahmen verordnen könnte, sagte gegenüber dieser Zeitung, dass man die Situation derzeit beobachte und Massnahmen prüfe. Der Druck von der Politik auf den Bundesrat indes steigt.