Wintersport im UnterengadinWie Samnaun an seiner Zukunft bastelt
Aufbruchstimmung in Samnaun: Pläne für eine neue Bergbahn (und einen Schlittelweg), Upgrade für die Hotellerie: Ischgls Schweizer Pendant werkelt an seiner Zukunft.

Aus den Boxen schmachtet «Über Regenbogen gehen, in Schneewittchenaugen sehen». Die Kellner bedienen in Lederhosen und karierten Hemden, auf der Karte duellieren sich Kaiserschmarrn und Fondue: Sind wir noch in der Schweiz oder schon in Österreich?
In der «Schmuggleralm» kehren Skifahrerinnen und Skifahrer über Mittag ein. Das urige Pistenrestaurant thront am Ende von Samnaun Dorf (GR), am Rand des länderübergreifenden Skigebietes Samnaun/Ischgl.
Die Silvretta-Ski-Arena gehört zu den imposantesten Wintersportrevieren der Alpen: maximal 239 Pistenkilometer, 45 Bahnen und Lifte, 1150 Schneeerzeuger – eine perfekt geölte Freizeitmaschinerie, die pro Tag bis zu 23’000 Menschen schluckt. Der Wintersport ist die zweite Säule der Samnauner Wirtschaft, neben den 40 Shops im staatlich bewilligten Zollfrei-Paradies. Sie locken mit Kosmetika und Schmuck, Spirituosen und Raucherwaren.
Eine weitere Bahn von Samnaun-Laret zum Muller soll noch mehr Touristen auf die internationalen Pisten bringen und gleichzeitig das Angebot für Nicht-Skifahrer erweitern: Geplant ist ein neuer Schlittelweg nach Samnaun-Laret. Wer sich derzeit auf Kufen vergnügen will, muss die gegenüberliegende Talseite zu Fuss erklimmen. Auch die Optionen für Langläuferinnen und Winterwanderer bleiben überschaubar. «Da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun», sagt Bernhard Aeschbacher, Wahl-Samnauner und Co-Chef der Ferienregion Samnaun, Scuol, Val Müstair.
20 Millionen ins Chasa Montana investiert
Die Hotellerie, in Samnaun fast ausschliesslich in den Händen der alteingesessenen Clans, hat bereits vorgelegt. Kürzlich wurde das Relais & Châteaux Chasa Montana neu eröffnet, nach einem 20 Millionen Franken teuren Umbau. Es gehört nun zur Hotel-Topliga des Landes, dank 45 luxuriös gestalteten Zimmern und Suiten und den Künsten des Chef de Cuisine Bernd Fabian.

Andere Herbergen wie das Bellevue, das Homann oder das Grischuna wurden oder werden ebenfalls aufgefrischt und stärken Samnauns neues Image als Destination für gehobene Ansprüche.
Zwei, drei Generationen zurück haben die Einheimischen, die neben dem noch bescheidenen Tourismus auf die Landwirtschaft zählten, mehr schlecht als recht überlebt. Dank eines Subklimas gedeihen im östlichsten Seitental des Unterengadins zwar Kartoffeln und Gerste bis auf 1800 Meter über Meer, «aber es war ein hartes Los», bilanziert Arno Jäger. Der 60-jährige Samnauner ist das kulturelle Gewissen der 800-Seelen-Gemeinde. Er führt das Talmuseum – in einem 400 Jahre alten Engadinerhaus, das bis 1970 von einer alleinstehenden Frau bewohnt wurde. Sie kochte noch in einem Kupferkessel über der Feuerstelle in der rauchigen Küche und verrichtete die Notdurft im Stall.

Der Museumschef zeigt in der Chasa Retica einfache landwirtschaftliche Gerätschaft, mit der die Samnauner die stotzigen Äcker und Matten bearbeiteten, eine schlichte, unbestickte Tracht oder das Seelenloch in der Decke der Schlafkammer, das nach dem Ableben eines Bewohners geöffnet wurde.
Mit dem Sensemann pflegt Jäger in diesen Wochen ein inniges Verhältnis: Er führt Regie in der Samnauner Theatergruppe, die zurzeit jeden Donnerstag im Festsaal in der Fraktion Compatsch die schwarze Komödie «Nicht meine Leiche!» zum Besten gibt – als abendliches Dessert für die Wintergäste (bis 5. April).
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