Das sagen Meteorologen Wie kam es zum Unglück auf dem Lago Maggiore?
Die Behörden sprechen von einem Tornado, der das 16 Meter lange Boot mit 24 Personen an Bord zum Kentern gebracht haben soll. Wetterexperten widersprechen.
Das Geburtstagsfest muss schon in vollem Gange gewesen sein, als sich die Gewitterfront zwischen 18 und 19 Uhr abends langsam näherte. «Das Starkgewitter kam mit langer Ansage, schon eine halbe Stunde vorher war das Unwetter aus Osten zu sehen und laut zu hören», sagt Meteorologe Jörg Kachelmann. Warum das Boot trotz der Sturmwarnung auf dem See blieb, ist noch unklar. Klar ist, dass das Unglück vier Menschenleben forderte.
Sind die Touristen Opfer eines unvorhersehbaren Wetterphänomens geworden? In einer ersten Reaktion erklärte der Präsident der Region Lombardei, Attilio Fontana, ein Tornado habe das Schiff zum Kentern gebracht. Meteorologen bezweifeln das mittlerweile allerdings: «Aufgrund der Wetterlage lässt sich eine Wasserhose praktisch ausschliessen», sagt Jörg Kachelmann.
Und auch sein italienischer Kollege Mattia Gussoni kommt zum Schluss: «Wenn man sich die Schadensmuster ansieht, wird klar, dass es kein Tornado gewesen sein kann.» Die Windböen hätten sich nicht gedreht, wie bei einem Wirbelsturm, sondern seien linear gewesen. Gussoni geht daher von einem sogenannten Downburst aus – einer Spezialkonstellation bei einem heftigen Gewitter, bei dem starke horizontale Sturmböen entstehen mit einer Geschwindigkeit von über 100 Kilometern pro Stunde. «Downbursts werden manchmal mit Tornados verwechselt», so Gussoni.
War es nur eine «stiere Böe»?
«Downbursts kommen bei stärkeren Gewittern relativ häufig vor», sagt dazu Jörg Kachelmann. Trotzdem bezweifelt er, dass das beim tragischen Unfall auf dem Lago Maggiore wirklich eine Rolle gespielt hat. «Gegen den Downburst spricht, dass es keine Fotos oder Filme gibt, weil das auch ziemlich beeindruckend wäre.» Gemäss Kachelmann war es eher eine «stiere Gewitterböe», die auf ein Boot mit grossem Windwiderstand traf. Inzwischen kursiert in italienischen Medien ein Bild, welches das gekenterte Boot zeigen soll.
«Es ist der übliche Reflex bei Behörden und Medien, bei einfach vermeidbaren Katastrophen die Ursachen zu überhöhen, damit ja niemand nach Verantwortlichkeiten fragt. Das gibt ein beruhigendes Unabwendbarkeitsgefühl», so Kachelmann.
Laut Gussoni hatten die Meteorologen für Sonntagabend vor schweren Gewittern in der Region gewarnt. Laut Kachelmann gibt es allerdings nur auf der Schweizer Seite des Lago Maggiore Sturmwarnlampen, konkret in Tenero und auf der Brissago-Insel.
Breaking News? Ausgewählte Leseempfehlungen? Downloaden Sie hier unsere News-App und bleiben Sie mit den Push-Nachrichten stets auf dem Laufenden. Sie haben bereits unsere App? Empfehlen Sie sie gerne an Freunde und Familie weiter.
Fehler gefunden?Jetzt melden.