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Übersetzungs-App für Dialekt
Wie gut übersetzt Textshuttle Schweizerdeutsch und Rätoromanisch?

Rumantsch ist für diesen neuen Schweizer Übersetzungsdienst kein Kauderwelsch. Im Bild: Ein Kameramann des rätoromanischen Fernsehens bei der Sendung «Telesguard».
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Swissness ist in der digitalen Welt eine echte Marktlücke. Die grossen US-amerikanischen Konzerne tun sich meist schon schwer damit, dass Europa als Kontinent mehrsprachig ist, auf dem nicht das Englische dominiert. Dialekte und regionale Eigenheiten werden grosszügig übergangen: Wer seine Mails oder Chat-Nachrichten auf Schweizerdeutsch verfasst, hat sich über die Jahre daran gewöhnt, dass nahezu jedes Wort von der Rechtschreibkorrektur mit einer roten Linie versehen wird.

Das ist eine Chance für Start-ups. Zumindest, wenn sie die «Swissness» nicht als (durch häufige Benutzung etwas abgestumpftes) Marketinginstrument verstehen, sondern als Auftrag. Töggl.ch hat vor zwei Jahren mit einer Software für Aufmerksamkeit gesorgt, die Bild- und Tonaufnahmen in Schweizer Dialekten verschriftlicht (siehe «Wie gut versteht der Computer Schweizerdeutsch?»).

Knacknüsse wie das Walliserdeutsch stehen bislang noch aus.

Textshuttle.com ist ein weiterer Vertreter. Das junge Unternehmen ist ein Spin-off der Universität Zürich, das in direkte Konkurrenz zu den etablierten Übersetzungs-Apps treten will: also zu Google Translate, zum Dolmetscher von Bing oder auch zu Deepl.com. Bei Letzterem handelt es sich um eine Anwendung aus Köln, die 2017 vor Augen geführt hat, dass die oft holperigen oder auch einfach falschen maschinellen Übersetzungen nicht das Ende der Fahnenstange sind. Aus heutiger Sicht war das ein Vorläufer der KI-Revolution, die uns im letzten Jahr voll erfasst hat.

Die Spezialitäten von Textshuttle sind Rätoromanisch und Schweizerdeutsch. Diese beiden Optionen stehen nebst Deutsch, Englisch und Französisch zur Verfügung. Die schweizerdeutsche Übersetzung befindet sich im Betastadium, ist also noch in Entwicklung begriffen. Sie hält bislang zwei Untervarianten für Bern und Zürich bereit – Knacknüsse wie das Walliserdeutsch stehen bislang noch aus.

Ein Meilenstein für ein vielsprachiges Land

Ein solches System ist ein Meilenstein für ein vielsprachiges Land wie die Schweiz – wenn die Übersetzungen brauchbar sind. Für die Beurteilung des Rätoromanischen verlasse ich mich in Ermangelung eigener Sprachkenntnisse auf die «Engadiner Post», die Lokalzeitung aus St. Moritz. Sie schreibt: «Facit da la retschercha: La tecnica rumantscha nu vain (amo) da rimplazzar l’uman, o almain na il traductur rumantsch. Il program da Textshuttle es bain ün bun sistem, ma eir ün sistem chi’d es impustüt specialisà per texts schurnalistics.»

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Textshuttle übersetzt das für uns wie folgt: «Fazit der Recherche: Die rätoromanische Technik wird den Menschen (noch) nicht ersetzen, oder zumindest nicht den rätoromanischen Translator. Das Programm von Textshuttle ist zwar ein gutes System, aber auch ein System, das vor allem auf journalistische Texte spezialisiert ist.» Bis auf den «Translator», der vermutlich Dolmetscher heissen sollte, ist das ein verständlicher und sprachlich einwandfreier Text.

Kleinere Schnitzer beim Zürichdeutsch

Aber wie steht es um die schweizerdeutschen Dialekte? Für den Test muss das Gedicht «Der Unnütze» von Franz Hohler herhalten, das für den Vergleich der Übersetzungs-Apps von Google, Deepl, Microsoft und Apple schon einmal zum Zug gekommen ist.

Es lautet in Deutsch: «Schon lange sollte ich den Thujabaum vor meinem Fenster fällen. Alle, die von Gärten was verstehen, raten mir’s. Er ist zu schnell gewachsen seinerzeit und ragt nun alt und viel zu schütter bis zum zweiten Stock, frisst Licht und Boden, aber dient zu nichts.»

Textshuttle liefert folgende Übersetzung zurück:

«Scho lang sött i de Thujabaum vor mim Fänschter gheie. Alli, wo vo Gäärtli was verstönd, rooted mer’s. Er isch z’schnell gwachse sinerziit und verrated nun alt und vil z’schütter bis zum zweite Stock, frisst Liecht und Bode, aber dient zu nüüt.»

Bei der Übertragung ins Zürichdeutsche gibt sich Textshuttle Blössen.

Fällen mit «gheie» zu übersetzen, scheint ein Fehler zu sein, ebenso «verratet» für «ragt». Und ein Ausrutscher ist auch das «was», das nicht zu «öppis» übertragen wurde. Sprachlich holpert diese Übersetzung gewaltig – aber Gedichte zu übersetzen, ist die Königsklasse. Darum ist das Verdikt trotzdem positiv.

Inhaltlich einwandfrei, aber ohne Seele

Aber wie steht es um die Gegenrichtung? Dafür muss der Refrain aus dem Züri-West-Hit «I schänke dr mis Härz» herhalten («I schänke dr mis Härz, Meh han i nid, Du chasch es ha, we de wosch, Es isch es guets, U es git no mängi, wo’s würd näh, Aber dir würd i’s gä») – so erfahren wir auch gleich noch, wie sicher Textshuttle mit Berndeutsch umgeht:

«Ich schenke dir mein Herz
Mehr habe ich nicht
Du kannst es haben, wenn du es willst
Es ist ein gutes
Und es gibt noch viele, die es nehmen würden
Aber dir würde ich’s geben»

Der Inhalt kommt mit, aber die Seele bleibt auf der Strecke.

Fazit: Auf der inhaltlichen Ebene einwandfrei – mit der Kritik, dass «mängi» mit «viele Frauen» übersetzt werden müsste. Es fällt aber auf, dass die Seele des Originals völlig verloren geht. Die Erkenntnis zur KI bleibt: Die künstliche Intelligenz erledigt ihre Aufgaben effizient, aber sie hat absolut keine Ahnung, was das menschliche Herz berührt.

Textshuttle kann kostenlos getestet werden, wobei mit Anmeldung 15’000 Zeichen oder drei Dokumente pro Tag übersetzt werden dürfen.