Rasant steigende FallzahlenWie gefährlich ist Omikron?
Alain Berset twitterte, der Bundesrat könne rasch über Verschärfungen entscheiden, wenn genauere Daten zu Omikron vorlägen. Was wissen wir bis jetzt?
Es ist erst fünf Wochen her, dass die neue Sars-CoV2-Variante Omikron identifiziert wurde, und eine der ersten Prognosen ist bereits eingetroffen. Die Fallzahlen steigen in der Schweiz und in vielen anderen Ländern rasant an. Am Donnerstag meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 19’032 Neuinfektionen. Bundesrat Alain Berset schrieb zur aktuellen Lage am Mittwoch auf Twitter: «Auch Hospitalisierungen werden zunehmen. Noch ist unklar, wie viele Personen eine IPS-Behandlung benötigen.» Der Bundesrat könne aber rasch entscheiden, «wenn genauere Daten zur Gefährlichkeit von Omikron vorliegen», so Berset.
Wie ist der momentane Stand des Wissens zur Variante? Forscher und Forscherinnen haben weltweit in enormem Tempo erste Studien vorgelegt. Trotzdem sind wichtige Fragen zur Gefährlichkeit von Omikron für die ältere Bevölkerung und für Ungeimpfte noch nicht vollständig geklärt.
Das liegt auch an den Daten aus jenen Ländern, in denen Omikron schon in den letzten Wochen stark zirkuliert ist. Es sind Länder mit jüngeren Populationen wie Südafrika oder Länder mit einer hohen Impfquote wie Dänemark oder Grossbritannien. Die Ergebnisse lassen sich nicht eins zu eins auf die Schweiz übertragen.
Dänemark und Grossbritannien haben zwar eine ähnliche Bevölkerungsstruktur wie die Schweiz, aber eine höhere Impf- und Booster-Quote in den Altersgruppen ab 50 Jahren. Das macht einen Unterschied. In Dänemark sind in den Altersgruppen ab 50 Jahren 96 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft, in der Schweiz nur 85 Prozent, und bei den über 65-Jährigen sind bereits rund 90 Prozent geboostert, in der Schweiz nur 62 Prozent.
Gute Nachrichten gab es am Dienstag für Geimpfte und Genesene. Eine neue Studie aus Südafrika zeigt, dass die T-Zell-Antwort, also die zelluläre Immunantwort, auch bei Omikron erhalten bleibt. Das lässt hoffen, dass ein gewisser Schutz vor schweren Verläufen bestehen bleibt, auch wenn der Schutz vor Infektion gerade bei Menschen mit zwei Impfdosen stark abgenommen hat. Der Booster sorgt – zumindest für eine gewisse Zeit – wieder für einen höheren Schutz.
Zwar gibt es einen ersten Hoffnungsschimmer, dass die Infektionen mit Omikron insgesamt etwas milder ausfallen könnten. Als mild gilt eine Infektion auch dann, wenn man eine Woche mit hohem Fieber im Bett liegt. Doch die Resultate aus diesen Studien stammen teilweise aus dem Labor und aus Tiermodellen und sind deshalb nur bedingt aussagekräftig.
So betont auch die wissenschaftliche Taskforce in ihrem Lagebericht vom 27. Dezember: «Es gibt noch keine Daten zur Schwere der Verläufe in Ungeimpften.» An der Medienkonferenz des BAG am Dienstag sagte die Taskforce-Präsidentin Tanja Stadler: «Die Schwere der Verläufe liegt nach ersten Erkenntnissen irgendwo zwischen Delta und der Variante von Anfang 2020.» Auch dänische Forscher erklärten in einem Vortrag kurz vor Weihnachten, für die Planung der nächsten Woche müsse man annehmen, dass Omikron für ähnliche Verläufe wie Delta sorge.
Gleichzeitig ist das Risiko für Ungeimpfte, sich anzustecken, stark angestiegen. Weil die Impfung weniger Schutz vor Infektion bietet, schiessen die Fallzahlen in die Höhe und die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung steigt. Aus diesem Grund betonen alle Fachleute, wie wichtig im Moment wieder korrekt getragene Masken (also keine Nasen, die herausschauen), Abstand, Hygiene und Kontaktreduktion sind.
Am Mittwoch ist eine neue Studie aus Dänemark erschienen, in der die Autoren die Übertragung in knapp 12’000 dänischen Haushalten im Dezember untersucht haben. Die wichtigste neue Erkenntnis: Dass sich Omikron so leicht verbreitet, hat vor allem mit seiner Fähigkeit zu tun, der Immunantwort zu entwischen, und weniger mit einer grundsätzlich viel höheren Ansteckbarkeit. Ausserdem schreiben die Autoren: «Wir stellten höhere Ansteckungsraten bei Ungeimpften fest.»
Weil wichtige Fragen noch offen sind, ist die Strategie des Abwartens, die der Bundesrat momentan verfolgt, riskant. Die Taskforce hält nämlich auch fest: «Es ist wichtig, zu betonen, dass die potenziell niedrigere Hospitalisationsrate von Omikron auf der Populationsebene schnell durch die stark erhöhte Ausbreitung aufgewogen werden wird.» Wenn sich also gleichzeitig sehr viele Menschen anstecken, droht den Spitälern – selbst bei zahlenmässig weniger schwer Erkrankten – wegen der schieren Menge der Fälle die Überlastung.
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