Zwillingsmutter mit 16Wie eine strenge Christin dazu kam, Frauen bei der Abtreibung zu helfen
Laurie Bertram Roberts hat 7 Kinder – und engagiert sich im amerikanischen Süden für Frauen, denen sonst niemand hilft.
Dann bricht sie in der Küche der Mutter zusammen. Verwandte bringen sie in das Spital zurück, das sie vorher abgewiesen hat. Die Ärzte retten ihr das Leben, indem sie die Abtreibung vollziehen, die sie ihr vorher verweigert haben. Denn Laurie Bertram Roberts ist in der 17. Woche schwanger, eine Woche mehr, als der konservative Gliedstaat Indiana, ihre Heimat, als oberste Frist für eine Abtreibung zulässt.
Dabei ist diese in den USA, nach dem spektakulären Grundsatzentscheid des Obersten Gerichtes im Prozess «Roe versus Wade», seit Januar 1973 legal. Jetzt droht das Gericht den Entscheid umzustossen.
An der Uni verliebt sie sich – in eine Frau
Als Laurie Roberts beinahe stirbt, ist sie 17 Jahre alt und bereits Mutter von Zwillingen. Ihre Mutter ist weiss, ihr Vater schwarz, die Eltern haben sich getrennt. Der Vater der Zwillinge misshandelt sie, irgendwann wird er weg sein. Laurie Roberts wird noch fünf weitere Kinder von mehreren Männern gebären, wie sie dem «Guardian» erzählt, eines wird durch eine Vergewaltigung gezeugt.
Mutter und Grossmutter helfen bei der Erziehung. Die Tochter holt die Schule nach, macht durch ihre Intelligenz auf sich aufmerksam, schafft es als 27-Jährige dank eines Stipendiums an die Universität von Jackson, der Hauptstadt von Mississippi. Roberts studiert Politologie, verliebt sich in eine Frau und beginnt sich für Rassenfragen und den Feminismus zu interessieren. Nach drei Jahren erlaubten ihr die Behörden, ihre Kinder auf den Campus zu holen.
Werde die Abtreibung wieder für illegal erklärt, sagt sie, würden viele Frauen sterben.
Heute hilft Laurie Bertram Frauen in Mississippi, die eine Abtreibung brauchen. Die meisten von ihnen haben schon Kinder und sind mit ihrer weiteren Schwangerschaft überfordert, manche wurden vergewaltigt oder bei der Zeugung bedroht. Die meisten sind schwarz und so arm, dass sie kein Auto haben für eine Fahrt in die nächste legale Abtreibungsklinik in Alabama; Geld für die Abtreibung haben sie schon gar nicht.
Wie die Hilfe der Aktivistin funktioniert, hat die «New York Times» in ihrem Porträt einer Frau nachgezeichnet, die von Laurie Bertram in die Klinik gefahren und mit Essen, Gesprächen, Kontakten und anderen Hilfeleistungen unterstützt wurde. Die Abtreibungshelferin sieht den drohenden konservativen Entscheid des Obersten Gerichts als Katastrophe. Werde die Abtreibung wieder für illegal erklärt, sagt sie, würden viele Frauen sterben, weil sie sich Pfuschern ausliefern würden. Oder aber in noch bitterer Armut leben müssen mit unabsehbaren Folgen für das Neugeborene.
Dabei ist eine Mehrheit dafür
Obwohl eine Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner das Recht auf Abtreibung befürwortet und findet, die Frau und nicht die Justiz müsse über einen so schmerzhaften Entscheid befinden, schwelt das Thema in den Vereinigten Staaten mit ihrer starken, puritanisch gefärbten religiösen Grundierung als Grundkonflikt bis heute weiter.
Dank Donald Trump operiert das Oberste Gericht seit einigen Jahren mit einer konservativen Mehrheit, und wie ein vor kurzem geleaktes Papier deutlich macht, plant es ein Wiederverbot der Abtreibung. Die Republikanische Partei unterstützt den absehbaren Entscheid, obwohl manche Parteigänger befürchten, dieser könnte ihnen bei den anstehenden Zwischenwahlen die Stimmen von Wechselwählerinnen kosten.
Laurie Bertram sieht die Entwicklung als Bestätigung ihres Engagements. Sie selbst wurde streng christlich erzogen und protestierte schon als Kind gegen jene, die Abtreibungen durchführten oder vornehmen liessen. Heute wird sie selber von Aktivisten bedrängt, die vor der Klinik beten und sie beschimpfen. Eine E-Mail bleibt ihr in Erinnerung; eine fundamentalistische Christin habe ihr am Ende ihres Mails geschrieben, sie wünsche sich, dass sie, die Aktivistin, abgetrieben worden wäre. Laurie Bertram sagt: «Diese Frau ist dermassen gegen die Abtreibung, dass sie dafür eine Abtreibung in Kauf nimmt.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.