Sport und Politik in KosovoWie ein Tennisspieler als Verräter abgestempelt wird
Filip Pavic ist ein grosses Tennistalent. Doch der junge Serbe lebt in Kosovo, trainiert mit einem Albaner zusammen und könnte für den dortigen Nationalverband spielen – für serbische Politiker ist das ein Problem.
Sein grosses Vorbild ist Novak Djokovic, wer sonst. Sein grösster Traum begann vor sieben Jahren, als Filip Pavic einen Tennisschläger als Geschenk bekam. Jetzt ist Pavic 14 Jahre alt, er zählt zu den talentiertesten Tennisspielern in Kosovo. Und hier beginnen für ihn die Schwierigkeiten. Pavic ist Kosovo-Serbe, mit seiner Familie lebt der Teenager in der mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinde Novo Brdo unweit der Hauptstadt Pristina. Er ist derzeit der einzige Serbe, der im Rahmen des kosovarischen Tennisverbandes spielt. In Zukunft könnte er für Kosovo an internationalen Turnieren auftreten, wie sein Vater gegenüber lokalen Medien bestätigt hat.
Ob er einem Aufgebot Folge leistet, ist unklar. Serbische Sportler in Kosovo, die für den jungen Staat spielen wollen, werden von der Belgrader Presse und nationalistischen Politikern als Verräter abgestempelt. Pavic hat bisher über 30 Turniere gewonnen. Auffallend sei das Schweigen der lokalen serbischen Behörden in Novo Brdo, sagt Goran Pavic, der Vater des jungen Tennisspielers. So habe der Bürgermeister, ein Vertreter der von Belgrad kontrollierten Partei Serbische Liste, kein einziges Mal zu den erzielten Erfolgen von Filip Pavic gratuliert. Mehrfache Bitten um Unterstützung wurden bisher von Gemeindepolitikern ignoriert. Er verliere allmählich die Hoffnung, dass sich etwas zum Positiven verändere, meint Goran Pavic.
Eine seltene Freundschaft
Sein Sohn aber gibt nicht auf. Weil in Novo Brdo ein Übungsplatz fehlt und die Familie Pavic einen Trainer sich nicht leisten kann, hat man eine Lösung über die ethnischen Grenzen hinweg gefunden. Filip Pavic trainiert seit zwei Jahren mit dem jungen Kosovo-Albaner Dasar Ymeri aus Pristina. Sie treffen sich dreimal pro Woche auf dem privaten Übungsplatz der kosovo-albanischen Familie Ymeri. Aus dem gemeinsamen Spiel ist eine Freundschaft entstanden. Das ist eine Seltenheit in Kosovo, wo die albanische Mehrheit und die serbische Minderheit eher nebeneinander als miteinander leben.
Sollte Filip Pavic unter der Kosovo-Flagge auftreten, könnte ihn das gleiche Schicksal ereilen wie den Fussballer Ilija Ivic aus der Nachbargemeinde Gracanica. Vor einem Jahr erklärte er in einem Interview, er habe ein Aufgebot erhalten, für die kosovarische U-19-Nationalmannschaft zu spielen. Daraufhin wurde er Opfer einer Hetzkampagne der Belgrader Boulevardblätter. Plötzlich verlor auch seine Mutter den Job bei einem Kultur- und Bildungszentrum in Gracanica, das von der serbischen Regierung finanziert wird.
Integration wird verhindert
2016 wurde die Tennisspielerin Marija Djordjevic vom kosovarischen Verband angefragt, ob sie für Kosovo am Fed-Cup-Turnier teilnehmen wolle. Doch sie verzichtete darauf nach heftigen Attacken der serbischen Medien. Ähnlich entschied sich auch ein kosovo-serbischer Radfahrer, der das Land bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im selben Jahr hätte vertreten sollen.
Serbien anerkennt die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit Kosovos nicht an. Die Regierung in Belgrad versucht mit allen Mitteln, jede Integration der serbischen Minderheit im kosovarischen Alltag zu verhindern. Wer die Realität akzeptiert, wird als von Albanern «gekaufter Serbe» verunglimpft. In Kosovos Institutionen nehmen nur jene Serben aktiv teil, die von Belgrad kontrolliert werden – zum Beispiel die Parlamentarier und die Minister der Serbischen Liste, eines Ablegers der Belgrader Regierungspartei SNS von Staatschef Aleksandar Vucic. Solange Serbien sich mit der Unabhängigkeit Kosovos nicht abfindet, werden Sportler wie Filip Pavic ein Spielball der Politik bleiben. Im vergangenen Sommer empfing Vucic in seinem Amtssitz in Belgrad mehrere junge serbische Sportler aus Kosovo. Dem Tennisspieler Pavic schenkte er ein T-Shirt mit der Aufschrift: «Serbien ruft dich».
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