Vorwurf der Compliance-VerletzungWie ein Luxusjagdwochenende einem Nestlé-Manager zum Verhängnis wurde
Ein Nestlé-Angestellter nahm an einer Elchjagd in Schweden teil – finanziert von einem wichtigen Lieferanten für Verpackungen. Über einen Ausflug mit Spätfolgen.
Die etwas skurril anmutende Geschichte beginnt in Österreich. Dort liegt der Hauptsitz des Kartonherstellers Mayr-Melnhof, der Nestlé mit Verpackungen beliefert. Die eleganten schwarzen Faltschachteln für Nespresso-Kapseln beispielsweise stammen von dem österreichischen Konzern, genauso wie Kartons für Frühstückscerealien.
Im Oktober vergangenen Jahres habe der Chef des Kartonherstellers, Peter Oswald, mehrere Manager zu einem Jagdausflug nach Schweden eingeladen, berichtet die österreichische Zeitung «Falter». Mit dabei war auch ein Nestlé-Manager, der dem Bericht zufolge für den Einkauf von Karton zuständig ist.
Luxuswochenende inklusive Elchjagd
Die Gruppe sei mit einem Privatjet von Wien nach Schweden geflogen und habe für ein verlängertes Wochenende im luxuriös ausgestatteten Berghof Henvålen (Henvålen Fjällgård) getagt, so der «Falter». In der kleinen Siedlung gebe es nicht nur Swimmingpool, Sauna und einen Weinkeller, sondern auch eine Elchschlachterei und eine eigene Helikoptertankstelle.
Teil des Programms war dem Bericht zufolge auch eine Elchjagd. Dabei wurde die Gesellschaft per Helikopter ins Jagdgebiet geflogen und erlegte insgesamt acht Elche. Finanziert wurde die Reise auch von Mayr-Melnhof und deren Aktionären. Entspricht das den Compliance-Regeln der Konzerne?
«Mitarbeiter dürfen nur Bewirtungen in üblichem Rahmen und symbolische, den Umständen angemessene Geschenke annehmen.»
Im zugehörigen Regelwerk von Nestlé heisst es dazu unter Artikel 11: «Mitarbeiter dürfen nicht durch die Entgegennahme von Gefälligkeiten beeinflusst werden; (…) Mitarbeiter dürfen nur Bewirtungen in üblichem Rahmen und symbolische, den Umständen angemessene Geschenke annehmen. Sie dürfen keine Geschenke, Bewirtungen oder Einladungen akzeptieren oder anbieten, wenn diese den Eindruck erwecken könnten, die jeweilige Geschäftsbeziehung unangemessen beeinflussen zu wollen.»
Nestlé distanziert sich
Der Jagdausflug schoss offenbar übers Ziel hinaus. «Alle unsere Angestellten müssen sich strikt an den Nestlé Code of Business Conduct halten, und wir nehmen jegliche solche Anschuldigungen sehr ernst. Die betreffende Person arbeitet nicht mehr bei der Firma», so eine Nestlé-Sprecherin. Ob der Jagdausflug der Grund für das Ausscheiden war, liess sie offen.
Der frühere Angestellte selbst erklärte, bei der Reise habe es sich um ein Programm gehandelt, bei dem sich Branchenkenner zu Entwicklungen, Strategien und Investitionen in nachhaltigere Technologien ausgetauscht hätten. Er habe privat, während seiner Ferienzeit, den Event besucht und die Anreise selbst bezahlt.
«Die Unterstellung, dass es um ‹Anfütterung› ging, ist nachweisbar falsch, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen», erklärt er. Er habe im Einkauf von Nestlé keine Führungsposition innegehabt und dem Unternehmen nicht geschadet.
Mayr-Melnhof bezahlte den Jagdausflug per Helikopter
Laut Mayr-Melnhof war der Manager bei Nestlé für den weltweiten Einkauf von Karton zuständig. Mayr-Melnhof-Sprecher Stephan Sweerts-Sporck erklärte, bei der Veranstaltung in Schweden hätten «hochrangige Experten wertvolles Feedback und Ideen für Innovationen und Investitionen» nach einer grossen Übernahme bei Mayr-Melnhof gegeben. Neben dem formellen Teil sei es international üblich, bei solchen Programmen auch informelle Side-Events anzubieten. «Der informelle Side-Event war in diesem Fall eine Jagdmöglichkeit», so Sweerts-Sporck.
Das Unternehmen habe die Seminarkosten inklusive Vollpension, Getränke und die Jagdmöglichkeit bezahlt. Die Kosten des gecharterten Flugzeugs von Österreich nach Schweden hätten die Teilnehmer geteilt, so der Sprecher.
«In Bezug auf die Teilnehmer sind wir bisher davon ausgegangen, dass diese für sich selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie gemäss den für sie geltenden Compliance-Vorschriften an der Veranstaltung teilnehmen können oder nicht», so Sweerts-Sporck. Doch Mayr-Melnhof nehme die aktuelle Diskussion zum Anlass, die eigenen Richtlinien für Veranstaltungen und Einladungen zu überdenken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.