ZoomWie ein Autofahrer Los Angeles sieht
Der Berliner Jens Liebchen fotografiert vom Fahrersitz aus – und folgt mit seiner Arbeit der Spur eines berühmten Kollegen.
Los Angeles: Stadt der Engel, Stadt der Träume, Stadt der Autos. Millionen Menschen leben hier vom Auto aus: Sie kaufen ein, verhandeln, holen sich medizinischen Rat und erledigen Bankgeschäfte, ohne je ihre geschützte und klimatisierte Blechbehausung zu verlassen.
Diese Lebensweise machte sich auch der Berliner Fotograf Jens Liebchen zu eigen, als er an seine Langzeitrecherche «L.A. Crossing» ging. Er fuhr Tausende Kilometer kreuz und quer durch die Stadt und schoss Bilder direkt vom Fahrersitz aus.
Damit folgte Liebchen einem legendären Vorbild. Im Zentrum seines Projekts stand nämlich ein um 20 Jahre älterer Kollege, der US-Fotograf Stephen Shore und seine berühmte Aufnahme mit dem Titel «Beverly Boulevard and La Brea Avenue, Los Angeles, California, June 21, 1975».
Dieses Bild gilt als Beginn der jüngeren Fotografiegeschichte. An der von Shore fotografierten Ecke gab es nämlich nichts Besonderes – ausser vier Tankstellen. Mit der Aufnahme brach Shore, heute 74, ein Gesetz der damaligen Fotografie, das besagte, dass ein Bild sorgfältig komponiert und bedeutsam sein musste.
Liebchen suchte nach einem authentischen, ungefilterten L.A. So entstand eine Bilderserie, die nun auch als Buch vorliegt. Der Vergleich mit damals zeigt eine ästhetische, aber auch eine gesellschaftliche Veränderung.
Die Autostadt scheint kälter geworden zu sein. Nicht im meteorologischen Sinn, denn auch hier flirrt die Hitze immer aufdringlicher. Doch die Strassen wirken abweisender und die Lagerhäuser uniformer. Nur ab und zu quillt Unförmiges heraus.
«Do not block intersection» steht auf einem Schild, daneben sieht man Männer, die wie Puppen aussehen. «L.A. Crossing», so faszinierend es auch anzuschauen ist, hat einen unheimlichen Subtext. Was wie der Filmtitel eines Roadmovie klingt, könnte auch jener eines postapokalyptischen Horrormärchens sein.
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