Fake News zur KlimakriseWie die «Toxic Ten» das Klima vergiften
Eine Studie zeigt auf, wie «Breitbart» oder «Russia Today» Desinformation zur Klimaveränderung verbreiten – und wie Social Media ihnen dabei hilft.
Eine Studie zeigt, welche Medienplattformen Fake News über die Klimakrise verbreiten, wie sie Social Media dazu nutzen und wie sie Geld damit verdienen. Die Untersuchung zeigt auch auf, dass Unternehmen wie Facebook oder Google davon profitieren und wie wenig sie dagegen tun.
Für die Studie verantwortlich zeichnet die britisch-US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Center for Countering Digital Hate (CCDH), die sich die Bekämpfung von Hassreden und Desinformation im digitalen Raum auf die Fahnen geschrieben hat. Sie hat über ein Jahr von Oktober 2020 bis Oktober 2021 fast 7000 Artikel untersucht, die über Social Media verbreitet wurden und die Klimakrise leugnen, die Folgen von Klimaveränderungen verharmlosen oder diejenigen, die vor der Klimakrise warnen, diskreditieren.
70 Prozent der Fake News stammen von den «Giftigen Zehn»
Knapp 70 Prozent dieser genau 6983 Artikel stammen von zehn Newsplattformen, die alle aus den USA oder aus Russland stammen. In der Studie werden sie griffig die «Toxic Ten», die «Giftigen Zehn» genannt. Darunter finden sich alte Bekannte wie «Breitbart» oder «Russia Today», aber auch hierzulande noch eher unbekannte Player wie die «Patriot Post» oder «Townhall Media».
Auch wenn die Interaktionen – also Likes, Kommentare und Shares, die diese Artikel insgesamt generierten, mit 709’057 nicht astronomisch hoch erscheinen: Sie zeigen laut den Aktivistinnen, dass Facebook und Google ihre eigenen Richtlinien nicht umsetzen. Und stattdessen auf höchster Ebene Entscheidungen träfen, Profit mit Fake News zu machen. Denn: Facebook hätte die Möglichkeit, Desinformation in Bezug aufs Klima zumindest als problematisch zu kennzeichnen.
Seit Mai dieses Jahres gibt es unter Klima-bezogenen Posts auf Facebook in einigen Ländern – darunter Grossbritannien, den USA und Deutschland – entsprechende Warnhinweise, wie man sie von Posts kennt, in denen es um Covid-19 geht. Diese Labels verweisen auf das Facebook-eigene «Climate Science Information Center», in dem die User hilfreiche und wissenschaftsbasierte Informationen zum Klima finden sollen. Doch die Untersuchung fand nur bei 8 Prozent der fraglichen Posts der zehn Plattformen einen entsprechenden Hinweis.
Selbst Zuckerberg spricht von einem «grossen Problem»
Im Rahmen der Studie wurden auch die Interaktionen verglichen, die Posts mit und ohne Warnung erhielten: Diejenigen, die nicht als problematisch gelabelt waren, erhielten im Schnitt 4322 Interaktionen, während diejenigen, die mit Warnhinweisen ausgezeichnet waren, durchschnittlich nur 485 Likes, Kommentare und Shares erbrachten. Ob hier ein direkter Zusammenhang besteht, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Aber die Annahme, dass ein entsprechender Hinweis zumindest eine gewisse Wirkung zeigt, drängt sich auf.
Dass Desinformation rund ums Klima ein «grosses Problem» sind, räumte Facebook-Chef Mark Zuckerberg im April dieses Jahres in einer Anhörung im US-Kongress ein. Dennoch erlaubt es das Unternehmen den Fake-News-Seiten aus der vorliegenden Untersuchung, Werbung auf seiner Plattform zu treiben. Acht der zehn Medien, die auf Facebook zusammen über 130 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten haben, verhelfen ihren Inhalten mit Geld zu zusätzlicher Reichweite.
Doch auch Google steht in der Kritik des CCDH: Die Studie schätzt, dass acht der zehn Websites im Fokus mit Werbung über Googles Adsense-Programm allein in den letzten sechs Monaten der Studie rund 3,6 Millionen US-Dollar (knapp 3,3 Millionen Franken) verdient haben; ironischerweise auch mit Anzeigen von Unternehmen, die sich selbst zu Massnahmen gegen menschengemachte Klimaveränderungen verpflichtet haben.
Google ergreift Massnahmen
Diese fragwürdige Art des Werbetreibens scheint auch wirtschaftlich zum Problem zu werden – welches Unternehmen möchte schon mit Klimawandel-Leugnern in Verbindung gebracht werden? Google hat jedenfalls Anfang Oktober angekündigt, Werbung mit ihrem Adsense-Programm zu verbieten, die neben Inhalten platziert wird, die dem gängigen wissenschaftlichen Konsens in Bezug auf die Klimakrise widersprechen oder Klimaveränderungen schlichtweg leugnen. Diese neue Richtlinie soll ab dem 8. November umgesetzt werden.
Während am Klimagipfel in Glasgow versucht wird, einen gemeinsamen Fahrplan zu erarbeiten, der die Klimakrise abwenden soll, ist es auf Social Media immer noch ein Leichtes, den Diskurs darüber zu kapern und zu unterwandern.
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