Steuerämter rüsten digital aufJagd auf Steuersünder mit Drohnen und Daten
Mit Luftaufnahmen, Informationen aus sozialen Netzwerken und dem Einsatz künstlicher Intelligenz rücken Steuerverwaltungen gegen Steuerhinterzieher vor. Die Schweiz hinkt hinterher.
Steuerämter gehen durchaus mit der Zeit. Das merkt das Steuersubjekt hierzulande daran, dass es die ungeliebte jährliche Steuererklärung mittlerweile voll elektronisch ausfüllen kann. Auch Unternehmen merken es, indem sie die obligatorische Mehrwertsteuer-Abrechnung digital einreichen können.
Im internationalen Vergleich nimmt sich das hingegen geradezu harmlos aus. In anderen Ländern haben die Steuerbehörden den unbezahlbaren Wert von Datenflüssen entdeckt. Es geht um Datenbanken voller biometrischer Daten, um die sozialen Netzwerke, aus denen zahllose steuerrelevante Transaktionen herausgefischt werden können. Anzapfen, auswerten, dabei künstliche Intelligenz nutzen – das sind die Wege, die immer mehr Steuerbehörden beschreiten.
In welche Richtung diese Entwicklung geht, zeigt eine Untersuchung des Beratungsunternehmens PWC. «Steuerbehörden auf dem Weg zum staatlichen Big Tech», titeln die Autoren ihre Publikation. Untersucht wurden 27 Steuerverwaltungen, die Liste reicht von Australien bis Russland.
Grossbritannien wertet Luftaufnahmen aus
Zu den Vorreitern gehören die Steuerbeamten im Dienste ihrer Majestät, der britischen Königin. Seit 2010 sammeln und analysieren sie den Datenschatz aus Dutzenden von Datenbanken. Zu den Datenquellen gehören selbstverständlich die sozialen Medien, Online-Verkaufskanäle wie Amazon und Ebay, Google Street View und Online-Zahlungsdienste wie Paypal. Mit diesem System namens Connect können unter anderem missbräuchliche Steuerabzüge eruiert werden.
Damit nicht genug: Die Steuerbeamten werten auch schon mal Satellitenaufnahmen aus, um zu überprüfen, ob der Hausbesitzer seine Liegenschaft tatsächlich renoviert hat, was steuerlich abzugsfähig ist, oder ob er eine Verschönerung vorgenommen hat, wofür es keinen Steuernachlass gibt.
Die britische Steuerverwaltung macht laut PWC geltend, dass seit der Einführung des neuen Systems die Steuereinnahmen um 3 Milliarden Pfund gestiegen seien, bei Investitionskosten von «nur» 100 Millionen Pfund.
Den Nutzen des Luftraums haben auch Spanien und Italien entdeckt. So versuchen sie mit Drohnen, nicht deklarierte private Swimmingpools nachzuweisen. Frankreich ist vor einem Jahr eine Partnerschaft mit Google eingegangen. Die Steuerbeamten nutzen seitdem Google-Algorithmen. Die Luftaufnahmen von Swimmingpools und Hauserweiterungen werden abgeglichen mit den Daten aus der Steuererklärung.
Wie Australiens Steuerbeamte Uber-Fahrer überführten
Als eigentlicher Trendsetter bei der technologischen Aufrüstung gilt Australien. Die Steuerbehörden nutzen konsequent die neusten Entwicklungen digitaler Technologien. Mit dem System namens Angie können beispielsweise Steuersubjekte identifiziert und ihre Beziehungen untereinander analysiert werden. Zweck der Übung: Die Steuerhinterziehung konsequent bekämpfen.
Ein Lied davon können Uber-Fahrer singen. Die Steuerbehörden verglichen bereits Ende 2015 die Banküberweisungen von Uber mit den deklarierten Einkünften der Fahrer. 15’000 Personen erhielten danach ein Schreiben. Darin rechneten die Steuerbehörden auf den Dollar genau aus, was der Adressat mit Uber verdient hatte. Wer die nächste Steuererklärung nicht korrekt ausfülle, riskiere ein Verfahren, warnte die Behörde.
Für Steuerexperten könnten Australien und der Fall Uber zur Vorlage für eine noch viel weiter gehende Entwicklung werden: Je mehr Daten die Steuerbehörden sammeln, desto mehr sehen sie sich in der Lage, die Steuererklärungen von natürlichen und juristischen Personen gleich selber auszustellen. Das Steuersubjekt kann sich dann nur noch mit Einsprachen wehren.
Die US-Steuerverwaltung ist derzeit daran, zusammen mit der kalifornischen Stanford University ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Steuererhebungsmodell zu entwickeln. Dabei soll sich das System konstant selbstständig weiterentwickeln. Damit können beispielsweise Steuerabzüge in Verbindung mit falsch berechneten Steuerverpflichtungen gebracht werden. Ergeben sich Auffälligkeiten, kommt es automatisch zu einer Überprüfung der Steuerpflichtigen.
Mexiko hat Schwarzmärkte im Visier
Im PWC-Report werden auch Mexiko und Brasilien als besonders effiziente Anwender von neuesten Technologien hervorgehoben. Der Grund ist einleuchtend: Die Steuerbehörden kämpfen hier gegen Schwarzmärkte und grassierende Steuerhinterziehung. Mit dem Einsatz von Big Tech hat die mexikanische Steuerbehörde Zehntausende Steuerhinterzieher identifizieren können. Der Ausfall bei den Steuereinnahmen soll 10 Milliarden Dollar pro Jahr ausmachen.
Dass just die Steuerverwaltungen in vielen Ländern zu Vorreiterinnen der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor werden, hat mehrere Gründe. Der naheliegendste: Die Transformation kostet zwar Geld. Aber die höheren Einnahmen machen die Ausgaben mehr als wett. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das positiv, vor allem dann, wenn die Alternative dazu eine Steuererhöhung wäre.
OECD forciert Digitalisierung
Druck zur Digitalisierung kommt auch von internationalen Organisationen und Initiativen. Die OECD beispielsweise hat die 500 grössten Konzerne, darunter 13 mit Sitz in der Schweiz, mit einer eigens entwickelten Datenbank ins Visier genommen. Sie wird aus öffentlich zugänglichen Datenbanken gespeist. Damit lässt sich überprüfen, ob die in der Konzernberichterstattung aufgeführten steuerlich relevanten Niederlassungen mit den Daten im OECD-System übereinstimmen.
Auch Wikipedia-Daten sowie die weltweite Medienberichterstattung über die Unternehmen werden permanent analysiert und zum Abgleich herangezogen, wenn es darum geht, die von den Unternehmen angegebenen steuerrelevanten Standorte oder Firmenrestrukturierungen zu überprüfen.
Auch die EU buttert derzeit viel Geld in die Digitalisierung. Mit dem sogenannten Fiscalis-Programm sollen die nationalen Steuerbehörden unterstützt und der Austausch von Steuerdaten noch mehr angekurbelt werden.
Föderalistische Strukturen hemmen in der Schweiz Digitalisierung
Solche Initiativen verstärkten erfahrungsgemäss den Druck auf Länder wie die Schweiz oder Deutschland, deren Steuerbehörden eine vergleichsweise geringe Digitalisierung aufweisen würden, erklärt Christian Ulbrich, einer der Mitautoren der PWC-Studie.
Dabei gibt es laut Ulbrich durchaus Gründe für die digitale Zurückhaltung: Diese Staaten müssten keine Schwarzmärkte bekämpfen, auch sei die Einhaltung der Steuervorschriften allgemein viel höher. Dazu kämen föderalistische Strukturen und hohe rechtsstaatliche Hürden, die sich hemmend auswirkten. Aber Ulbrich ist überzeugt, dass der Digitalisierungsschub auch in der Schweiz kommen wird.
Bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung erklärt man auf Anfrage, dass man sich nicht im Rückstand sehe in Bezug auf die Digitalisierung. Zum Beweis wird auf die digitale Abrechnung der Mehrwertsteuer und der Verrechnungssteuer verwiesen. Allerdings räumt die Behörde ein, dass bei den Einkommens- und Gewinnsteuer-Prozessen die föderalistische Struktur die Digitalisierung «etwas» erschwere.
Fehler gefunden?Jetzt melden.