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Patentschutz für Covid-Impfung
Wie die Pharmabranche für ihre Corona-Pfründen lobbyiert

Das Coronavirus und der Schutz davor sind auch in Afrika – hier Nairobi, Kenia – ein grosses Thema.
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Die Nachricht vom Mittwoch sorgte weltweit für Aufsehen: US-Präsident Joe Biden setzt sich neu dafür ein, dass der Patentschutz für die Corona-Impfstoffe gelockert wird. Er unterstützt damit Länder wie Südafrika und Indien, die bei der Welthandelsorganisation (WTO) entsprechende Anträge deponiert haben. Sie hoffen, dass sie den Impfschutz bei sich selber herstellen und die eigene Bevölkerung rascher immunisieren können.

Die Schweiz dagegen hält bislang pickelhart an ihrer Position fest. Die Patente der Pharmafirmen sollen demnach bleiben, wie sie sind, das entsprechende WTO-Abkommen sei nicht anzutasten. Ein bislang unpublizierter Briefwechsel zeigt nun, wie die betroffenen Branchen für diese Position schon vor Monaten beim Bundesrat lobbyierten.

Eine Lockerung des Patentschutzes, wie sie Indien und Südafrika fordern, hätte eine «massiv kontraproduktive Wirkung»: So steht es in dem dreiseitigen Brief, den die drei Pharmaverbände Scienceindustries, Interpharma und Swiss Biotech Association am 2. Februar gemeinsam an den Bundesrat sandten. Die Entwicklung eines neuen Impfstoffs sei «riskant, sehr aufwendig und kostspielig», heisst es im Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt. «Die Unternehmen und Investoren, welche die Forschung finanzieren, schultern dabei ein hohes Risiko, während sie nur aufgrund der Schutzrechte die Chance auf eine Belohnung haben.» Ohne diese Schutzrechte, so warnen die Absender, würden «Investoren nicht mehr in besagten Forschungsbereich investieren».

Fallen die Patente auf die Covid-Impfung dahin, könnten die Pharma-Financiers die Motivation verlieren, weiteres Geld in die Überwindung der Pandemie zu stecken.

Mit anderen Worten: Fallen die Patente auf die Covid-Impfung dahin, könnten die Pharma-Financiers die Motivation verlieren, weiteres Geld in die Überwindung der Pandemie zu stecken.

Beim Bund scheint die Argumentation zu verfangen, wie das vom Institut für geistiges Eigentum (IGE) verfasste Antwortschreiben zeigt. Man sei sich der «zentralen Rolle des Schutzes des geistigen Eigentums bewusst», heisst es in dem auf 23. Februar datierten Brief an die drei Pharmaverbände. Den Antrag Indiens und Südafrikas erachte man «nicht als zielführend», sondern als kontraproduktiv. «Die Schweiz vertritt diese Haltung konsequent.» Für das IGE zeigt die schnelle Entwicklung und Produktion verschiedener Covid-Impfstoffe, dass das heutige «Anreizsystem» der WTO funktioniere.

Wenn Bäcker und Mehl fehlen

An diesem Standpunkt hat sich bei den beteiligten Briefpartnern seither nichts geändert, wie Nachfragen zeigen. Interpharma-Sprecher Samuel Lanz gibt auch zu bedenken, dass ein Wegfall des Patentschutzes kaum zu schneller verfügbarem Impfstoff führen würde. «Auf dem Weltmarkt sind zahlreiche der benötigten Rohstoffe knapp, desgleichen die Fachkräfte.» Lanz illustriert das Problem mit einem Vergleich aus der Kulinarik: «Es reicht nicht, das Backrezept ins Internet zu stellen. Man benötigt auch die Bäcker, die Bäckereien und das Mehl.»

Der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina ärgert sich über diese Argumentation. «Natürlich wird nicht von heute auf morgen dreimal mehr Impfstoff hergestellt. Aber die Produktionskapazitäten, die sind in Indien und Südafrika vorhanden.» Das Lobbying der Pharmaverbände beim Bundesrat findet Molina unverschämt: «Selbst in einer Pandemie können die den Hals nicht voll genug bekommen.» Die Schweiz müsse dringend aufhören, sich einseitig für die Bedürfnisse der Pharmafirmen einzusetzen. «Wir haben ein riesiges Interesse daran, dass diese Pandemie auch auf der Südhalbkugel endet. Und dafür haben wir bis jetzt skandalös wenig getan.» Molina fürchtet überdies einen Imageschaden für die Schweiz. «Die USA haben sich beim Patentschutz bewegt, die EU wird folgen. Am Ende sind es nur noch wir, Brasilien und Australien, die sich sträuben.»

Fest steht, dass der Druck auf die Schweiz mit Joe Bidens Kehrtwende zunehmen dürfte. Um den Patentschutz auf WTO-Ebene zu lockern, müssen sich die 164 Mitglieder einstimmig dafür aussprechen. Dass die Schweiz im ärgsten Fall quasi ein Veto gegen den Rest der Welt einlegen würde, ist wenig wahrscheinlich.