Vincenz-Prozess Tag 5Wie die Deals aus Sicht der Beschuldigten abliefen
Investoren, Manager, Aufräumer – an der Verhandlung im Zürcher Volkshaus zeigten die Beschuldigten auf, wieso die Geschäfte aus ihrer Sicht völlig sauber waren.
Am fünften Prozesstag hatte Investnet-Gründer Andreas Etter seinen Auftritt. Der Mitgründer der Beteiligungsgesellschaft Investnet fehlte zum Prozessauftakt, da er an Corona erkrankt war.
Etter spielt in der Affäre eine wichtige Rolle. Denn er ist Mitbegründer der Beteiligungsgesellschaft Investnet, an der sich Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz heimlich über seinen Partner Stocker beteiligt haben soll. Der Investnet-Fall ist von den finanziellen Dimensionen her der grösste Teilaspekt des Strafprozesses.
Bei der Befragung gibt Etter genau Auskunft, die Ausführungen wirken teils fast schon arrogant («Ich weiss, wie es in einer Bank zu- und hergeht»). Die Richter wollen etwa wissen, ob er sich an den Inhalt von einzelnen Mails erinnere, die er vor zehn Jahren geschrieben hat. Etter erinnert sich und erzählt seine Sicht der Dinge.
Spannendstes Detail: Zwischen Etter und dem Vincenz-Berater Beat Stocker kam es zum Streit. Stocker war als Chef von Investnet vorgesehen. Doch habe Stocker eine Konkurrenzfirma aufgebaut. «Er kannte alle Internas von Investnet, da hat er sich mit einem anderen ins Bett gelegt, da war ich richtig sauer.»
«Wieso haben Sie ihm trotzdem noch 12 Millionen Franken bezahlt?», fragt Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel. «Ich war sauer und hatte keine Lust, das Geld zu bezahlen. Aber wir hatten einen gültigen Vertrag, daher musste ich es tun», so Etter.
Zwei völlig verschiedene Geschichten
Schon an dieser Stelle wird klar, welche Version der Geschichte die Beschuldigten dem Gericht erzählen. Für all die Belege der Staatsanwaltschaft, mit denen bewiesen werden soll, dass es sich bei den Zahlungen um Bestechungen oder anderweitig dubiose Geldflüsse handelte – die Beschuldigten und ihre Anwälte versuchen, das Gericht davon zu überzeugen, dass es sich um geschäftskritische Absprachen, saubere Deals und damit legitime Gewinne handelte.
Diese Version präsentierte auch Etter: «Ich wäre damals nie auf die Idee gekommen, dass Vincenz in der ersten Phase unterbeteiligt gewesen sein könnte.»
Waren die Absprachen geheim? Haben sie Aduno geschadet? Die Antwort von Anwalt Blattmann ist jeweils nein.
Die Anklage stützt ihre Vorwürfe auf eine Zahlung Stockers an Vincenz von 2,9 Millionen Franken, hinter der sie eine Gewinnaufteilung aus der Investnet-Beteiligung vermutet. Etter widerspricht: Der Co-Gründer von Investnet, Peter Wüst, habe ihm versichert, dass dies ein Kredit von Stocker an Vincenz war. «Ich ging davon aus, dass Raiffeisen die Sache geprüft hat. Für ihn war die Sache damit erledigt», sagt Etter.
Andreas Blattmann, der Anwalt des mitbeschuldigten Vincenz-Beraters Beat Stocker, nahm den Ball dankbar auf. Stockers Beteiligungen? Alle sauber. Waren die Absprachen geheim? Haben sie Aduno geschadet? Seine Antwort ist jeweils nein.
Als es um den Kauf von Eurokaution durch Aduno geht, fragt er: «Was wissen wir wirklich?» Die Credit Suisse brachte das neue Geschäftsfeld der Mietkaution bei Aduno ins Spiel. Die Firma Swisscaution, ein erstes verlockendes Ziel, um in die Mietkautionen einzusteigen, konnte aber nicht gekauft werden. Also kam das damalige Aduno-Management auf die Idee, die Firma zu kaufen und sie selbst zu einem Konkurrenten von Swisscaution zu entwickeln. Stocker habe aber auf den Kauf keinen Einfluss genommen – ganz anders also, als es die Staatsanwaltschaft behauptet.
Ein Unternehmer, der ins Risiko ging, sein eigenes Geld investierte und mit seiner Beratungstätigkeit angeschlagene Firmen vorwärtsbrachte und dafür einen grossen Aufwand leistete. Das habe besonders für die angeschlagene Eurokaution gegolten. Stocker habe teils sogar Schreibfehler in Mails des Eurokautions-Managements korrigieren müssen.
«Ich sehe mich als Opfer des undifferenzierten Ehrgeizes der Staatsanwaltschaft, in diesem medienträchtigen Fall Schuldsprüche zu erwirken»
Geht es im Verfahren um Millionen, nimmt sich die Rolle des mitbeschuldigten PR-Beraters Christoph Richterich bescheiden aus. Er wurde von Vincenz auf eine Golfreise nach Dubai eingeladen. Die Staatsanwaltschaft wirft Richterich vor, die Kosten dafür über rund 19’000 Franken seien auf Spesen von Raiffeisen gegangen. «Ich sehe mich als Opfer des undifferenzierten Ehrgeizes der Staatsanwaltschaft, in diesem medienträchtigen Fall Schuldsprüche zu erwirken», so Richterich.
Derweil liest Vincenz E-Mails, hört mit einem Ohr mit. Es fällt auf: Die Beschuldigten haben all diese Geschichten schon hundertmal gehört. Die juristischen Winkelzüge scheinen ihnen auch nicht immer nachvollziehbar. Der Tag für sie lang. Erst um 19 Uhr ist Schluss. Die Verhandlung ist aber noch lange nicht vorbei. Der nächste epische Prozesstag ist für den 8. März vorgesehen.
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