Gastkommentar zu BurmaWie der Westen auf den Putsch reagieren sollte
Der Militärcoup ist ein Zeichen der Schwäche der Armeeführung. Gerade darum wäre jetzt die Zeit günstig, die Demokratie in Burma zu stützen.
Am 1. Februar nahm das Militär in Burma den Präsidenten U Win Myint, die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, die Parlamentsabgeordneten der bisherigen Regierungspartei NLD, die Gouverneure der 14 Regionen und sogar einige prominente Künstler fest. (Lesen Sie hier alles über den Putsch.) Aber seither ist das Vorgehen des Militärs seltsam sanft.
Die Gouverneure wurden über den Machtwechsel «aufgeklärt» und in ihre Residenzen gebracht. Die Abgeordneten wurden freigelassen und heimgeschickt. Neuwahlen wurden für nächstes Jahr angekündigt. Die Medien publizieren weiter, das Internet funktioniert.
Der Hauptgrund für das sanfte Vorgehen ist die Schwäche der militärischen Führung. Der Coup ist im Interesse einer Clique aus Generälen und deren Kumpanen in der Wirtschaft. Diese dominieren Burmas grösste Unternehmen und den illegalen Handel mit Jade, Edelsteinen und Edelhölzern. Ihre Interessen sind nicht die der Zigtausenden Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und Polizisten.
Dieses Establishment hat Angst vor Eskalation, denn es kann sich nicht darauf verlassen, dass einfache Soldaten und Polizisten das Feuer auf friedliche Demonstranten eröffnen. Eine regierungsnahe Quelle berichtete mir: «Diese Leute haben alle NLD gewählt!» Sie haben kein Interesse an Isolation, Dominanz durch China und wirtschaftlicher Stagnation.
Es geht bei diesem Coup nur um das nackte Interesse einer kleinen Gruppe alter, korrupter Generäle.
Die internationale Gemeinschaft muss einen Keil in die Armee treiben, an den Patriotismus der Soldaten und Polizisten appellieren und ihnen klarmachen: Es geht bei diesem Coup nicht um die Armee gegen das Volk, sondern um das nackte Interesse einer kleinen Gruppe alter, korrupter Generäle, denen die Felle davonschwimmen. Sollten diese die Oberhand behalten, würden sie Burma geradewegs zurück in die 90er-Jahre treiben – und in die Arme Chinas. Das will kein burmesischer Patriot.
Es gibt durchaus ermutigende Nachrichten: Bis Ende der Woche ist Facebook zwar nicht mehr aktiv. Nutzer hatten aber einige Tage Zeit, um auf die Offline-App Bridegfy umzusteigen, bekannt aus den Protesten in Hongkong. Burma hat Techfirmen, die technisch dabei helfen können.
Darüber hinaus hat der Westen Möglichkeiten, die Demokratie in Burma zu stützen.
Die unabhängigen Medien sind nach wie vor frei, aber chronisch unterfinanziert. Sie brauchen finanzielle Unterstützung, damit sie ihre Berichterstattung aufrechterhalten können.
Der Westen muss die Kommunikationskanäle der internationalen Gemeinschaft zur mittleren Ebene der militärischen und der Polizeihierarchie nützen. So muss er dieser klarmachen, wohin die Reise geht, wenn der Coup erfolgreich ist. Teams der UNO, NGOs und bilaterale Agenturen vor Ort haben die nötigen Kontakte.
Sanktionen sollten nur gegen die militärische Clique erlassen werden. Sanktionslisten gibt es aus der Zeit der Rohingya-Krise. Auf keinen Fall sollte die Europäische Union den für die burmesische Wirtschaft so wichtigen bevorzugten Handelsstatus für Burma aufheben.
Letztlich sollte man auch der NLD durch öffentliche Unterstützung und mit finanziellen Mitteln in ihrem Streben helfen, den Coup über die Gerichte zu bekämpfen. So kann die NLD die moralische Überlegenheit zementieren, den sie in diesem Kampf um Herzen und Köpfe braucht.
Das alles kann der Westen jetzt tun. Wenn das Militär mit diesem sanften Coup noch ein oder zwei Wochen durchkommt, ist es zu spät. Dann fliessen Mittel ab, Investoren ziehen sich zurück, China springt ein. Und wir wissen: Es wird keine Wahlen geben nächstes Jahr.
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