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Agrarpolitik im Bundeshaus
Wie der Krieg in der Ukraine die Schweizer Landwirtschaft beeinflusst

Die Freiburger Bauern Thierry (rechts) und Raimond Pugin melken ihre Kühe. Die Schweiz will möglichst viele Lebensmittel aus einheimischer Produktion und damit einen Selbstversorgungsgrad von mindesten 50 Prozent.
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Die überproportionale Stärke der Bauernlobby im Bundeshaus war am Dienstag im Ständerat gar nicht erst gefragt. Nur in Details haben sich die Meinungen von Grünen und SP einerseits, den Bürgerlichen und den Bauern anderseits unterschieden. Thema war die langfristige Agrarpolitik (AP 22+) und die damit verbundenen Änderungen im Landwirtschaftsgesetz.

Ein hohes Mass an Einigkeit im Grundsatz, über alle Parteien hinweg, manifestiert sich insbesondere beim Thema Selbstversorgungsgrad. Dieser soll dauerhaft und bei steigender Bevölkerungszahl mindestens 50 Prozent betragen und – unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsregeln – wenn immer möglich noch gesteigert werden. Diese Einigkeit hat Gründe, die in der Ständeratsdebatte vom Dienstag aber nicht ausdrücklich beim Namen genannt wurden – der Krieg in der Ukraine, globale Krisen und die damit verbundenen Unsicherheiten auf weltweiten Versorgungswegen. 

«Die aktuellen Krisen und Konflikte sind für die Schweizer Landwirtschaftspolitik sehr relevant.»

Werner Salzmann (SVP)

In der Ständeratsdebatte fiel das Stichwort «Krieg in der Ukraine» zu keinem Zeitpunkt. Und auch die Probleme bei der Energieversorgung und weitere globale Krisen waren kein Thema. Auf Nachfrage aber bestätigen direkt Beteiligte den grossen Einfluss dieser Themen auf die Schweizer Landwirtschaftspolitik.

Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann sagt, «die Erkenntnisse aus den aktuellen Krisen und Konflikten sind für die Schweizer Landwirtschaftspolitik sehr relevant». Die Abhängigkeiten von Weizen, Soja und anderen Lebensmitteln zeigen sich in aller Deutlichkeit. Die Schweiz als finanzstarkes Land könne es sich zwar leisten, auf dem Weltmarkt teuer einzukaufen, auf Kosten ärmerer Länder. «Stattdessen aber ist erklärtes Ziel, möglichst viel einheimisch zu produzieren», führt der Sicherheits- und Landwirtschaftspolitiker aus. 

Angesprochen auf den Krieg, sagt der Solothurner SP-Wirtschaftspolitiker Roberto Zanetti, er glaube, dieser habe dazu geführt, dass der Selbstversorgungsgrad überhaupt zum Thema geworden sei. «Der Selbstversorgungsgrad ist verstärkt ins Bewusstsein der Politik gerückt.» 

Kampf um Wildflächen

Salzmann und Zanetti stimmen überein, dass die Einigkeit im Grundsatz zwischen den Polen nicht bedeutet, dass Einigkeit über die Rahmenbedingungen herrscht, die zu einem besseren Selbstversorgungsgrad führen. Zanetti sagt, Effizienz und Nachhaltigkeit seien kein Widerspruch, sie bedingten sich vielmehr. Kaputte Böden und Gewässer erlaubten auf Dauer keine verbesserte Selbstversorgung.

Salzmann sagt, mit verordnetem Verzicht auf Fleisch lasse sich die Landwirtschaftspolitik nicht steuern. «Wir fordern, dass wir in der Schweiz das produzieren, was möglich ist: Fleisch und Milchwirtschaft in den Berg- und Hügelgebieten sowie Ackerbau im Talgebiet – selbstverständlich unter Einhaltung ökologischer Auflagen.»

Im Nationalrat zeigt sich schon bald, wie weit es mit der grundsätzlichen Einigkeit zwischen links und rechts her ist. Der Rat behandelt einen Vorstoss der Bauern, die entgegen dem Willen des Bundesrats einen Verzicht auf 3,5 Prozent zusätzliche Biodiversitätsflächen verlangen. Bauernverbandsdirektor Martin Rufer rechnet vor, 3,5 Prozent mehr solcher Wildflächen bedeuteten gesamtschweizerisch den Verlust einer Ackerfläche von 10’000 Hektaren. Auf diese aber könne nicht verzichtet werden. 

Im Ständerat wurde das Bundesratsanliegen für mehr Biodiversität bereits versenkt. Im Nationalrat gilt das Seilziehen um den Vorstoss als noch nicht entschieden.

In einer ersten Version dieses Textes stand, es ginge um einen Verlust von 300’000 Hektaren Ackerfläche, korrekt sind 10’000 Hektaren.