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Fremdenfeindlichkeit durch Pandemie
Wie Corona und Trump den Hass auf Asiaten schürten

Kämpfen gegen die zunehmende Stigmatisierung: Zwei Frauen protestieren gegen die Welle von anti-asiatischen Hassverbrechen in New York am 20. Februar 2021.
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Die USA werden von einer Welle von Hassverbrechen gegen Asiaten erschüttert. Erst letzte Woche wurde eine chinesisch-amerikanische Frau vor einer Bäckerei in New York angegriffen. Das 52-jährige Opfer hatte den Mann lediglich gefragt, ob er in der Schlange anstehe. Daraufhin wurde er laut Gerichtsdokumenten «extrem wütend, schrie, beleidigte sie und wurde gewalttätig». Der Mann schubste die Frau so fest auf den Asphaltboden, dass sie laut Aussagen ihrer Tochter bewusstlos wurde und eine Kopfverletzung erlitt. Am selben Tag kam es laut NBC New York in der U-Bahn zu zwei weiteren Angriffen gegen asiatische Senioren.

Wenige Wochen zuvor verstarb in San Francisco ein 84-jähriger Thailänder, nachdem ihn ein Mann aus heiterem Himmel zu Boden schubste. Laut seiner Familie wurde Vicha Ratanapakdee aufgrund seiner Rasse und seines Alters angegriffen. Ein 19-jähriger Mann wurde daraufhin wegen des Verdachts auf Mord und Misshandlung älterer Menschen festgenommen. Auf der anderen Seite der Bucht, in Oakland, schubste ein Mann gleich drei Menschen im Chinatown-Viertel. Die Opfer, ein 91-jähriger und ein 60-jähriger Mann sowie eine 55-jährige Frau, wurden laut CNN verletzt.

Krisenpunkt erreicht

«Was mit schmutzigen Blicken und verbalen Angriffen begann, ist zu physischen Angriffen und Gewalt gegen unschuldige asiatische Amerikaner eskaliert», sagte Judy Chu, eine kalifornische Kongressabgeordnete, die den Vorsitz des asiatisch-pazifischen Kongressausschusses innehat. Die asiatisch-amerikanische Gemeinschaft habe einen «Krisenpunkt» erreicht, sagte Chu letzte Woche bei einer Pressekonferenz, bei der führende Demokraten die Hassverbrechen verurteilten. Die Mitglieder der Gemeinschaft seien «erschrocken über den alarmierenden Anstieg des anti-asiatischen amerikanischen Fanatismus».

Bereits im Oktober letzten Jahres warnte die UN in einem Bericht, dass Hassverbrechen gegen asiatische Amerikaner in den USA ein «alarmierendes» Niveau erreicht hätten. Laut dem Bericht wurden zwischen März und Mai 2020 mehr als 1800 rassistische Vorfälle gegen asiatische Amerikaner verzeichnet.

19-mal mehr Angriffe

Neuste Zahlen zeigen nun das gesamte Ausmass der Diskriminierung wegen Corona: Seit Beginn der Pandemie ist die Zahl der Hassverbrechen gegen asiatische Amerikaner um rund 1900 Prozent gestiegen. Dies besagt ein jüngster Report von «Stop AAPI Hate», einer nationalen Koalition, welche den anti-asiatischen Fanatismus dokumentiert hat. Die Organisation hat mehr als 2808 «Berichte aus erster Hand über anti-asiatischen Hass» von März bis Dezember erhalten und untersucht.

Ähnlich beunruhigend sind die Zahlen der Strafverfolgungsbehörden. Die Verachtfachung von Delikten gegen Asiaten im Vergleich zu 2019 veranlasste die New Yorker Polizei im August sogar dazu, eine spezielle Taskforce zu bilden, um die Vorfälle zu untersuchen. Die gemeinnützige Rechtshilfe- und Bürgerrechtsorganisation «Asian Americans Advancing Justice» hat das Phänomen ebenfalls beobachtet. «Basierend auf den Umfragen, die wir gesehen haben, wissen wir, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist», sagte John C. Yang, Direktor der Organisation, gegenüber CNN.

Trump-Rhetorik als mögliche Ursache

Doch wie ist die Zunahme von anti-asiatischen Verbrechen zu erklären? Yang führt den Anstieg teilweise auf die Rhetorik des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zurück. Dieser hatte das Coronavirus wiederholt als «China-Virus» bezeichnet. «Er hat offensichtlich eine Menge rassistischer Ausdrücke verwendet, die die asiatische Gemeinschaft für das Virus verantwortlich machten», sagte Yang. «Das hat die Menschen darauf konditioniert, asiatische Amerikaner als Ausländer zu betrachten und dieses fremdenfeindliche Verhalten an den Tag zu legen. Das ist schwer rückgängig zu machen, ungeachtet der aktuellen Regierung.»

«Es ist klar, dass der Sturm aufs Capitol am 6. Januar nicht der einzige Gewaltakt war, den Donald Trump angestiftet hat.»

Mit dieser Meinung steht Yang nicht alleine da. «Diese Angriffe sind kein Zufall», sagte die Kongressabgeordnete Judy Chu. «Es ist klar, dass der Sturm aufs Capitol am 6. Januar nicht der einzige Gewaltakt war, den Donald Trump angestiftet hat.» Dem stimmte auch der Abgeordnete Mark Takano zu: «Worte haben Konsequenzen. Handlungen von politischen Führern haben Konsequenzen, und wir sehen die Konsequenzen der Verwendung von Begriffen wie ‹China-Virus› oder ‹Kung-Flu› in Daten über Hassverbrechen.»

Ein 68-jähriges Opfer aus Oakland erzählt gegenüber «Stop AAPI Hate» von einer Attacke: «Ich wartete darauf, eine Apotheke zu betreten, um mein Rezept zu bekommen. Da begann eine Gruppe von Bauarbeitern, sich über mich lustig zu machen, indem sie mich verspotteten, falsch husteten, mich anspuckten und mit ihren Fingern die Augen lang zogen, bis ich sie bat, aufzuhören. Niemand sonst stellte sich dazwischen.»

Einem 67-jährigen Opfer aus San Francisco wurde in einem Baumarkt mit dem Ellenbogen in den Rücken geschlagen. «Danach rief der Angreifer «Halt die Klappe, du Affe!», «F**k dich, Chinese», «Geh wieder zurück nach China» und «Hört auf, das chinesische Virus hierherzubringen», berichtet das Opfer.

Angst und Unsicherheit durch Pandemie

Ebenfalls für diese Entwicklung verantwortlich machen Experten die Unsicherheit und Angst, die durch die Pandemie hervorgerufen werden. Laut einem Bericht der «Asian American Bar Association», der asiatisch-amerikanischen Rechtsanwaltskammer, reagierten manche Menschen auf die Bedrohung durch eine Krankheit oder andere Krisen, indem sie eine andere Gruppe zum Sündenbock machten.

Es seien meist Gruppen, die als ausserhalb der kulturellen Normen stehend wahrgenommen werden. Im Falle der Corona-Pandemie seien dies asiatische Amerikaner. «Das gibt manchen Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit und dient damit als Abwehrmechanismus gegen die Angst vor der eigenen Sterblichkeit», so die Autoren des Berichts.

Laut Yang werden asiatische Amerikaner als leichte Ziele für Verbrechen angesehen. Dies läge womöglich an den sprachlichen und kulturellen Barrieren, die sie daran hindern könnten, Vorfälle zu melden. Das Problem ist laut «Stop AAPI Hate» besonders in Gebieten mit grossen asiatisch-amerikanischen Bevölkerungsgruppen deutlich, wie zum Beispiel in den US-Bundesstaaten Kalifornien und New York.

Verbrecher dank Social Media identifiziert

Der Anstieg von Hassverbrechen hat mittlerweile weltweit eine Welle von Solidarität ausgelöst. Nach den Attacken in Oakland offerierten Hunderte Freiwillige, asiatische Senioren beim Spazieren oder beim Einkaufen zu begleiten, um sie zu beschützen. Auf Social Media hat sich zudem eine regelrechte Bewegung formiert. Unter dem Hashtag #StopAsianHate versuchen Social-Media-Nutzer, die Menschen für die zunehmende Stigmatisierung zu sensibilisieren.

Die asiatisch-amerikanischen Schauspieler Daniel Dae Kim, bekannt aus der Serie «Hawaii Five-O», und Daniel Wu aus «Tomb Raider» halfen bei der Verbrecherjagd gleich mit. Sei setzten für Informationen, die zu einer Verhaftung des Angreifers in Oakland führen, eine Belohnung von 25’000 Dollar aus. Mit Erfolg – nur wenige Tage später wurde ein 28-jähriger Mann verhaftet und unter anderem wegen Körperverletzung und Misshandlung älterer Menschen angeklagt.

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Auch der Angreifer des chinesisch-amerikanischen Opfers in New York konnte über einen öffentlichen Aufruf gefasst werden. Die Tochter des Opfers hatte auf Social Media Bilder und Videos des Angreifers veröffentlicht und die Öffentlichkeit bei der Identifizierung um Hilfe gebeten. Nachdem asiatisch-amerikanische Stars wie Olivia Munn und Ronny Chieng über den Vorfall twitterten, konnte der 47-jährige Angreifer wenige Tage später von der Polizei gefasst werden.

Biden macht ehemalige Regierung verantwortlich

Auch auf politischer Ebene wird die alarmierende Entwicklung nach längerem Drängen von Bürgerrechtsgruppen zunehmend anerkannt und angegangen. Im Januar unterzeichnete Präsident Joe Biden eine Exekutivmassnahme, die Behörden anweist, Fremdenfeindlichkeit gegen Mitglieder der asiatisch-amerikanisch-pazifischen Inselgemeinschaft (AAPI) zu bekämpfen.

Bidens Memorandum erwähnt Trump zwar nicht namentlich, bezieht sich jedoch direkt auf die von der ehemaligen Regierung benutzte Rhetorik zur Corona-Pandemie. So heisst es: «Die Regierung muss erkennen, dass sie eine Rolle bei der Förderung dieser fremdenfeindlichen Gefühle durch die Handlungen der politischen Führer gespielt hat, einschliesslich der Verweise auf die Covid-19-Pandemie durch den geografischen Ort ihres Ursprungs.» Das Wiederaufleben von Fremdenfeindlichkeit, wie man es während der Pandemie in die Höhe schiessen sehe, sei «inakzeptabel und unamerikanisch», heisst es im Memorandum.