Klimagipfel in Sharm al-SheikhWie China die Klimadebatte sabotiert
Bei Klimakonferenzen gilt China offiziell noch als Entwicklungsland. Das hat mit der Realität wenig zu tun – doch Peking stemmt sich gegen jede Änderung.
Beim Klimagipfel in Sharm al-Sheikh kann sich China vor Verbündeten ausnahmsweise kaum retten. Klimaschützer applaudieren, denn China stellt sich mit aller Kraft auf die Seite der Entwicklungsländer. «Dringend und unmittelbar» müsse ein Fonds entstehen, der für die Klimaschäden der Ärmsten aufkomme – so steht es in einem Papier, das China zusammen mit der Entwicklungsländergruppe G-77 beim Gipfel eingereicht hat. Es soll den verletzlichsten Staaten zu ihrem Recht verhelfen – aber für viele Industriestaaten ist eine Festlegung auf so einen Fonds derzeit ein absolutes No-go.
Schlägt sich also die Volksrepublik wirklich auf die Seite der Armen – oder will sie schlicht von ihrer eigenen Rolle ablenken? Denn hinter dem Streit über Klimaschäden und Fonds steckt eine andere, viel heiklere Frage: Wie viel Verantwortung muss China selbst in Zukunft für die Schäden und Verluste übernehmen, die der Klimawandel nun Jahr für Jahr zusätzlich anrichtet?
China als Entwicklungsland
Die Klimarahmenkonvention von 1992, die Mutter aller Klimaverträge, führt China bis heute als Entwicklungsland. Das entsprach der Welt von damals, und auf diesen Ruf hat das Land auch immer peinlich genau geachtet. Der Vertrag von Paris brach zwar die Weltordnung von 1992 etwas auf. Aber er regelte nicht, wie sich die Gewichte verschieben, wenn sich ökonomische Macht und Emissionen verändern. Bis heute sind es die Industriestaaten des 20. Jahrhunderts, die das meiste Geld für den Klimaschutz aufbringen – schon ihrer historischen Verantwortung für die Klimakrise wegen. Schliesslich hatten sie im 20. Jahrhundert auch die meisten Kohlendioxidemissionen verursacht. Aber das 21. Jahrhundert ist anders.
2019 hatte China zum ersten Mal mehr emittiert als alle anderen Industriestaaten zusammen. Und auch in den kumulierten Emissionen schlägt sich das nieder: Zur Mitte der Zwanzigerjahre dürfte das Land Schätzungen zufolge mehr emittiert haben als die Europäische Union. Der Druck auf China wächst, künftig mehr zu schultern. In Sachen Klima sei die EU derzeit der grösste Geber, sagt EU-Vizekommissar Frans Timmermans. «Aber wir müssen realisieren, dass wir im Jahr 2022 leben und nicht mehr 1992.» Es gebe heute sehr viel mehr Staaten, die helfen könnten.
«Das ist eine gute Sache», sagt Timmermans. «Es zeigt, wie viel ökonomische Entwicklung es in den letzten 30 Jahren gegeben hat.» Den Namen China erwähnt er nicht, aber das Land steht wie ein weisser Elefant im Raum. Und auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nimmt das Wort mit den fünf Buchstaben nicht in den Mund. «Alle grossen Emittenten von heute tragen Verantwortung für die Schäden der Zukunft», sagt sie lediglich. Nötig sei eine Diskussion darüber, «wer einzahlt». Letzten Endes gehe es um knallharte Geopolitik.
Die Debatte über die künftige Lastenteilung zwischen den reichen Staaten läuft gerade an.
Das Thema dürfte die Klimadiplomatie der nächsten Jahre überschatten, denn die Debatte über die künftige Lastenteilung zwischen den reichen Staaten läuft gerade an. «China wird sich bis 2024 überlegen müssen, ob es eine Supermacht sein will oder ein Entwicklungsland», sagt Christoph Bals, der für die Entwicklungsorganisation Germanwatch die Klimapolitik verfolgt. Doch einstweilen hat China die Aufmerksamkeit geschickt auf die Frage gelenkt, ob ein neuer Fonds entstehen soll oder nicht.
So entspinnt sich in Sharm al-Sheikh ein Machtspiel nach den Gesetzen der Klimapolitik. Vor allem die EU versucht fieberhaft, Entwicklungsländer aus der Phalanx der G-77 herauszulösen, meist über bilaterale Partnerschaften. In der Debatte um Schäden und Verluste durch den Klimawandel, im Konferenzsprech «loss and damage», wollen die Europäer eine vorzeitige Festlegung auf einen Fonds verhindern. Lieber will die EU bis 2024 ein Gesamtpaket, das dann auch China in die Pflicht nimmt.
China bremst gleich bei zwei Themen
Die Volksrepublik wiederum mauert bei einem anderen wichtigen Thema, der Minderung der Emissionen. Die EU und eine Reihe anderer Länder wollen ein Arbeitsprogramm festzurren, das auf schärfere internationale Klimaziele schon in den nächsten Jahren hinauslaufen könnte. China will davon nichts wissen – so stockt die Konferenz gleich bei zwei wichtigen Themen.
In der Vergangenheit konnte die EU sich bei solchen Konflikten immer auf eine Allianz mit Inselstaaten und armen Ländern verlassen, die High Ambition Coalition. Gemeinsam stritten sie für ehrgeizigen Klimaschutz. In diesem Jahr funktioniert das nicht. Der Streit über «loss and damage» hat sie entzweit: Manche Staaten sehen das mit dem Fonds ähnlich wie die G-77 und viele Klimaschützer. Chinas Taktik zieht.
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