Wegweisender Entscheid?Hittnau läuft mit Windkraftverbot beim Kanton auf
«Nicht rechtmässig, unzweckmässig sowie unangemessen»: Der Kanton lässt das faktische Verbot von Windrädern auf dem Gebiet der Gemeinde Hittnau nicht zu.
In zahlreichen Zürcher Gemeinden wehren sich Windkraftgegner mittels Abstandsregelungen in den Bau- und Zonenordnungen (BZO) gegen den Bau grosser Windkraftanlagen. Zum ersten Mal hat sich nun der Kanton Zürich formaljuristisch zu solchen Mindestabständen geäussert. Die Verfügung der Baudirektion auf den Punkt gebracht: «nicht genehmigungsfähig».
Das Urteil gilt der revidierten BZO von Hittnau. Die Gemeindeversammlung hatte im November 2023 einen Passus über industrielle Windanlagen in ihre BZO aufgenommen. Deren Abstand zu zeitweise oder dauerhaft bewohnten Liegenschaften müsse mindestens 800 Meter betragen, beschlossen die Hittnauerinnen und Hittnauer damals mit grosser Mehrheit. Faktisch ist das ein Verbot von Windrädern auf Gemeindegebiet.
Hittnau widersetzte sich damit den Plänen des Kantons und namentlich von Baudirektor Martin Neukom (Grüne). Dieser hatte im Vorfeld immer wieder klargemacht, dass er solche kommunalen Regelungen nicht tolerieren würde. Sein Argument: Kommunale Bau- und Zonenordnungen würden ausschliesslich für Bauzonen gelten. Da Windkraftanlagen aber ausserhalb der Bauzonen erstellt würden, seien solche zonenübergreifenden Regelungen rechtswidrig und nicht zweckmässig.
In diesem Sinne argumentieren – wenig überraschend – die Juristen aus Neukoms Baudirektion und verweigern der revidierten Nutzungsplanung der Gemeinde die Genehmigung. Für eine Regelung des Mindestabstands bestünde im kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG) «keine Rechtsgrundlage». Der vorgesehene Abstand von mindestens 800 Metern sei «somit nicht rechtmässig», steht in der Verfügung zuhanden der Gemeinde.
Es steht Aussage gegen Aussage
In Hittnau interpretiert man das Gesetz – ebenso wenig überraschend – ganz anders. Der Gemeinderat macht in seiner Stellungnahme zuhanden der Baudirektion geltend, dass sich im PBG keine Bestimmung fände, die es den Gemeinden verbieten würde, zonenübergreifende Vorschriften zu erlassen.
Die Gemeinde vertritt den Standpunkt, dass die Windräder, auch wenn sie ausserhalb der Bauzonen erstellt würden, nur schon aufgrund ihrer schieren Grösse «einen grossen Einfluss auf das unmittelbar benachbarte Ortsbild» hätten.
Ausserdem gehöre es zu den Planungsaufgaben der Gemeinde, «das Siedlungsgebiet vor schädlichen Immissionen zu schützen», schreibt der Gemeinderat in seiner Stellungnahme und nennt im vorliegenden Fall Eisschlag, Lärm, Beschattung und ideelle Immissionen. Der entscheidende Massstab für Immissionen sei der Empfangspunkt, also nicht der Ort, wo das Windrad steht, sondern der Ort seiner (unerwünschten) Wirkung.
Hittnau zieht den Entscheid vor die nächste Instanz
«Der Entscheid der Baudirektion war vorhersehbar», sagt der Hittnauer Gemeindeschreiber Beat Meier. Auf dem Gebiet der Gemeinde befanden sich drei mögliche Standorte für Windkraftanlagen – die Potenzialgebiete Hermatswil, Stoffel und Fuchsbüel.
Während sich das Gebiet Stoffel nicht eignet, sind die beiden anderen vom Kanton im vergangenen Sommer auf die Kategorie «Zwischenergebnis» herabgestuft worden. Das heisst, dass noch nicht alle Voraussetzungen für einen definitiven Eintrag in den kantonalen Richtplan erfüllt sind. Und selbst wenn, ist noch nichts in Stein gemeisselt. Mit der Teilrevision des Richtplans wird sich ohnehin noch der Zürcher Kantonsrat befassen müssen. Voraussichtlich 2026 kommt die Vorlage ins Parlament.
Die Gemeinde hat bereits angekündigt, den abschlägigen Bescheid der Baudirektion nicht zu akzeptieren. «Wir werden den Entscheid vor dem Baurekursgericht anfechten», sagt Gemeindeschreiber Meier.
Gemeindepräsident Carlo Hächler (FDP) war für uns nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Er hatte bereits an besagter Gemeindeversammlung im November 2023 angekündigt, allenfalls «bis vor Bundesgericht zu ziehen».
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