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Wicky: «Das Playoff passt zur US-Sportkultur»

Klare Ansage: Raphael Wicky, 42, will Titel gewinnen. Foto: Getty Images
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Sie und Georg Heitz kennen sich aus Basler Zeiten. Wie kam der Kontakt nun zustande?

Das war vor Weihnachten. Georg rief mich an, wir besprachen diese Möglichkeit, und natürlich war ich interessiert.

Warum?

Einerseits liebäugelte ich schon zuvor mit der Major League Soccer, weshalb ich den Job als U-17-Coach der USA annahm. Andererseits, weil ich viel von Georg Heitz halte, ihn kenne, ein sehr positives Bild von ihm als Mensch und seiner Arbeit habe. Wichtig waren aber auch die Gespräche mit dem neuen Clubbesitzer, Joe Mansueto. Erst danach war klar, dass ich das machen will.

Wicky war von März bis Dezember 2019 als Trainer der U-17-Mannschaft der USA tätig. (Bild: VI Images via Getty Images)

Was hat der Club für sportliche Erwartungen?

Zunächst einmal sind wir daran, das Kader fertig zusammenzustellen. Ich weile aktuell zwar mit 23 Spielern im Trainingslager in Florida, aber nur 16 sind Vertragsspieler. Es ist klar, dass wir ins Playoff wollen, aber das wollen alle – und Chicago war da zuletzt selten vertreten. Man kann also nicht sagen, es sei alles schlecht, wenn wir es nicht schaffen. Zum Ziel setzen wir es uns trotzdem. Und mittelfristig wollen wir um den Titel spielen.

Absteigen können Sie ja nicht.

Nein. Das System unterscheidet sich stark vom europäischen Fussball. Und wir können nicht einfach Spieler verpflichten, sondern sind an Restriktionen gebunden. So dürfen wir nicht mehr als acht Ausländer verpflichten. Es gibt Spieler mit unterschiedlichem Status. Und den Salary Cap: die Obergrenze für die Lohnsumme des Kaders. Sie ist für alle Clubs gleich.

«In den nächsten 20 Jahren wird der Fussball sich in Sachen Popularität nicht mit Football, Baseball oder Basketball messen können.»

Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

Vor allem beeinflusst es die Arbeit des Sportchefs. Du musst dir noch viel mehr Gedanken ­machen, wie du die bestmögliche Mannschaft zusammenstellst. Auch, wie du das Geld verteilst. Wenn sich ein Spieler verletzt, kannst du keinen Ersatz holen, wenn die Gehaltsobergrenze erreicht ist.

Für Sie als Trainer macht es das kaum einfacher.

Es sind einfach die Gegebenheiten. Ich weiss das, ich habe die Liga verfolgt, seit ich 2008 als Spieler in Los Angeles war. Aber ja: Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Trainer aus Europa, die sich dessen bei Amtsantritt zu wenig bewusst waren und dann Mühe bekundeten.

Auch als Spieler war Wicky in den USA engagiert. Für eine Saison spielte er für CD Chivas USA in der MLS. (Bild: Victor Decolongon/Getty Images)

Inwiefern?

Jedes Auswärtsspiel bedeutet eine Flugreise von drei bis fünf Stunden. Und dann kann es sein, dass du am einen Spieltag auf 1600 Meter Höhe in Colorado antrittst und am nächsten bei 40 Grad in der Wüste von Houston. Geografie und Klima verlangen den Spielern mehr ab als in einer europäischen Liga. Da musst du die Spielweise den ­Gegebenheiten anpassen.

Anders ist auch, dass der Fussball in den USA einen völlig anderen Stellenwert besitzt als in Europa.

Trotzdem ist das Zuschauerinteresse an den Spielen ziemlich gross, und unser neuer Besitzer unternimmt einiges dafür, um noch mehr Menschen für Fussball zu begeistern. In Chicago läuft eine Werbekampagne, wir sind auf Stadtbussen und Plakaten in der Stadt präsent. Dennoch scheint mir klar: In den nächsten 20 Jahren wird der Fussball sich in Sachen Popularität nicht mit Football, Baseball oder Basketball messen können.

Gleichzeitig orientiert man sich daran: Salary Cap, Playoff, kein Absteiger – finden Sie das gut?

Hier stimmt es für mich, es passt zur US-Sportkultur. Umgekehrt ist für mich nicht vorstellbar, dass man dies im europäischen Fussball jemals so machen wird. In der Tendenz ist es eher möglich, dass sich die Major League Soccer angleichen wird. Es gibt hier in den USA auch ­Befürworter des weltweiten ­Modells. Ich sage mal: Beides hat seine Vor- und Nachteile.

Die da wären?

Die Gehaltsobergrenze sorgt für Ausgeglichenheit. Eine Mannschaft kann im einen Jahr das Playoff klar verpassen und im nächsten um den Titel spielen – und umgekehrt. In Europa sind die Hierarchien ziemlich zementiert, dafür geht es dort bis zum Schluss fast für jeden Club um etwas. Hier hast du eine Phase, in der eine Mannschaft sieht, dass sie das Playoff verpasst – und deshalb einfach die nächste Saison plant. Für die Leistungskultur ist das sicher nicht optimal. Dafür kämpft ein Club, dem es sportlich nicht läuft, in den USA nicht gleich ums Überleben.

Entlässt weniger den Trainer, wer nicht absteigen kann?

Tatsächlich geschieht dies in der MLS weniger schnell. Wobei die Tendenz zuletzt doch in diese Richtung ging. Aber ja, man muss nicht panisch reagieren. Und das finde ich gut. Oft gibt es inzwischen Clubs, die in einer Saison zwei- oder gar dreimal den Trainer wechseln.

So ist das Geschäft.

Ja, aber das ist keine gute Entwicklung. Bei jeder Trainerpräsentation heisst es: Mit diesem Mann wollen wir in die Zukunft gehen, etwas aufbauen. Vier Monate später kommt der nächste Trainer, begleitet von denselben Worten. Wenn du aber etwas aufbauen willst, dann geht das nicht in vier Monaten.

Haben Sie nun in Chicago mit Georg Heitz jenen Sportdirektor, den Sie in Basel als unerfahrener Profitrainer gebraucht hätten? Sie wurden ja erst nach dessen Abgang Chefcoach – und schon nach gut einem Jahr wieder entlassen.

Ich wusste damals ja, dass alle Führungspositionen neu besetzt sind, als ich beim FCB Trainer wurde. Und ich bin den Verantwortlichen dankbar, dass sie mich wählten. Wir hatten mit der besten Champions-League-Kampagne der Schweizer Geschichte durchaus Erfolg. Gleichzeitig bin ich aber auch froh, dass ich nun in Chicago mit einem Sportchef arbeiten darf, der in dieser Funktion schon ziemlich alles erlebt hat. Er bleibt ruhig, wenn es einmal nicht ganz nach Wunsch läuft. Auch wenn klar ist: Über kurz oder lang muss jeder seine Leistung bringen.

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