Wintereinbruch in den AlpenSeltene Kälte in den Schweizer Bergen – extreme Hochwassergefahr in Österreich
Ein kräftiges Tiefdruckgebiet hat in der Schweiz in höheren Lagen für einen ungewöhnlich frühen Wintereinbruch gesorgt. Weiter östlich droht derweil eine Hochwasserlage mit Katastrophenpotenzial.
Sehr früh hat in den Schweizer Bergen der Winter Einzug gehalten. In einem Streifen zwischen dem Berner Oberland, der Zentralschweiz, dem Alpstein und Nordbünden gab es am Freitagmorgen bereits vielerorts ein weisses Erwachen. Die Schneefallgrenze sank dabei bis gegen 1200 Meter, stellenweise sogar noch tiefer. Oberhalb von etwa 1500 Metern erwarten die Wetterdienste in den genannten Regionen bis Freitagabend bis zu 30 Zentimeter Neuschnee, bis Samstagabend sogar bis zu 50 Zentimeter.
Verantwortlich für die frühwinterlichen Verhältnisse ist ein kräftiges Höhentief. Dieses zog seit Wochenbeginn vom Nordmeer her nach Mitteleuropa und lenkte am Mittwochabend eine markante Kaltfront zum Alpenraum. Dahinter flossen dann sehr kalte Luftmassen heran, die ihren Ursprung am Polarkreis haben. In den oberen Luftschichten (in etwa 5500 Metern Höhe) sank die Temperatur bis gegen -30 Grad.
Weil sich die Luft mit abnehmender Höhe erwärmt, war von dieser extremen Kälte in tieferen Lagen natürlich nichts zu spüren. Aber selbst auf einer Höhe von etwa 1500 Metern wird das Thermometer am Freitag nur wenig über den Gefrierpunkt klettern. Im Flachland liegen die Maximalwerte zwischen 10 und 15 Grad.
Markanter Kaltlufteinbruch in den Bergen
Gemäss Stephan Bader, Klimatologe von Meteo Schweiz, handelt es sich in den mittleren Höhenlagen (ab etwa 1600 Metern) um einen für die Jahreszeit durchaus markanten Kaltlufteinbruch. Das zeigt der Blick auf die langjährigen Messdaten. So dürfte die Temperatur auf dem Pilatus (2106 Meter) am Freitag voraussichtlich ganztags nicht über -2 Grad steigen, auf dem Moléson (1974 Meter) nicht höher als circa -0,5 Grad. Derart eisige Tageshöchstwerte sind im Zeitraum zwischen Mitte August und Mitte September sehr selten.
Auch in Arosa (1878 Meter, Messungen seit 1931) wird es am Freitag voraussichtlich einen Eistag geben, das heisst die Temperatur wird nicht über null Grad steigen. Eine vergleichbare Kälte gab es in Arosa im Zeitraum zwischen Mitte August und Mitte September bisher erst dreimal (1937, 2007 und 2008).
Wie bereits erwähnt sinken die Temperaturen im Flachland der Alpennordseite nicht auf derart eisige Werte ab. Allerdings könnte es zum Wochenende hin in den frühen Morgenstunden in dafür prädestinierten Muldenlagen Bodenfrost geben. Das geschieht aber nur, wenn der Himmel in der Nacht aufklart, also keine dichte Bewölkung vorhanden ist.
Durch die Abstrahlung kann die eingeflossene Polarluft dann in Bodennähe zusätzlich auskühlen. Stand jetzt dürfte das Risiko für Bodenfrost im Mittelland vor allem am Sonntag und Montag erhöht sein.
Hochwassergefahr in Österreich, Tschechien und Polen
Während in der Schweiz vor allem Kälte und Schnee das Thema sind, sind die Auswirkungen des Kaltlufteinbruchs im östlichen Europa weitaus dramatischer. Die Wetterlage entwickelt dort eine völlig andere Dynamik.
Das erwähnte polare Höhentief ist mittlerweile über die Alpen ins Mittelmeer gezogen und hat sich von der Tiefdruckzone über Nordeuropa abgeschnürt. Es hat sich also ein eigenständiges Höhentief gebildet, das mit seinem Kern derzeit etwa über Norditalien liegt. Dieses Gebilde ist nach wie vor mit kalter Höhenluft angefüllt. Gleichzeitig weisen das westliche Mittelmeer wie auch die Adria noch sehr warme Wassertemperaturen auf (über 25 Grad).
Das sorgt für eine hochexplosive Konstellation.
Das Höhentief wird bis zum Wochenende Richtung Balkan ziehen. Dabei nimmt es warme und extrem feuchte Luftmassen auf und führt diese im Gegenuhrzeigersinn um seinen Kern herum. Die feuchtwarme «Suppe» wird also via Osteuropa wieder Richtung Westen zurücktransportiert. Dort trifft sie auf die deutlich kältere Polarluft. Weil kalte Luft eine höhere Dichte hat, also «schwerer» ist, kann die wärmere Luft sie nicht verdrängen. Sie gleitet stattdessen auf die Kaltluft.
Die Folge: Im Bereich der Schnittmenge zwischen diesen gegensätzlichen Luftmassen kommt es zu intensiven Niederschlägen.
Diese berüchtigte, als Vb («fünf-b») bezeichnete Wetterlage wird voraussichtlich vor allem im Raum zwischen Bayern, dem österreichischen Alpenvorland, Tschechien und Südpolen zu einer hochproblematischen Unwettersituation führen. Die Wettermodelle berechnen dort bis am Dienstagabend gebietsweise Regenmengen von 200 bis gegen 400 Liter pro Quadratmeter.
Insbesondere im Einzugsgebiet der Flüsse Donau, Inn, Oder, Elbe und Weichsel muss daher wohl mit einem grösseren Hochwasserereignis gerechnet werden. Der nationale Wetterdienst Österreichs (Zamg) hat für den Nordosten des Landes entsprechend bereits die höchstmögliche Warnstufe herausgegeben.
Allerdings sind exakte Prognosen bezüglich der Niederschlagsstärke und der Niederschlagsverteilung bei Vb-Lagen schwierig. Das liegt daran, dass die Zugbahn dieser Tiefs oftmals erst etwa 24 bis 48 Stunden im Voraus mit Gewissheit bestimmt werden kann. Bereits leichte Veränderungen können erhebliche Auswirkungen haben, da sich die Zone mit den stärksten Niederschlägen dann beispielsweise nach Osten oder Westen verlagert.
Aus Schweizer Sicht lässt sich jedoch mit relativ grosser Sicherheit sagen, dass dieses Vb-Tief vergleichsweise unspektakuläre Auswirkungen haben wird. Zu verdanken haben wir das – stark vereinfacht gesagt – der Tatsache, dass die Zone mit den intensiven Aufgleitniederschlägen unser Land nur am Rande tangieren wird. Die Schweiz verbleibt während der Dauer des Ereignisses in der eher kühleren und damit auch weniger feuchten und energiereichen Luftmasse. Zum Glück.
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