Kommentar zu SteuervorlagenWer nicht hinschaut, macht es sich zu einfach
Es ist zentral, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Folgen von Steuerreformen informiert werden.
Steuersysteme werden regelmässig geändert, was das kostet oder bringt, wird jedoch nie nachgeprüft. Die Unternehmenssteuerreform II hatte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz dem Volk einst als Wachstumsprojekt verkauft, das nur kurzfristig Steuerausfälle von knapp 100 Millionen Franken zur Folge haben werde. De facto gab es aber Steuerausfälle in Milliardenhöhe, weshalb das Bundesgericht eine «krasse Verletzung der Abstimmungsfreiheit» und «Fehlinformation durch Unterdrückung» ortete.
Dass dieser «Milliardenbschiss» überhaupt bekannt wurde, ist die grosse Ausnahme. Für einmal wurde nämlich nachgerechnet. Normalerweise aber finden nachträgliche Untersuchungen, was Steuerreformen gekostet beziehungsweise wie viel sie gebracht haben, in der Schweiz nicht statt. Zu aufwendig, zu viele Unbekannte, zu schwierig, zu teuer, begründet die Verwaltung ihre Zurückhaltung. (Lesen Sie zum Thema: Das grosse Rätsel um die wahren Schweizer Steuerausfälle)
Um sich eine Meinung bilden zu können, müssen der mündige Stimmbürger und die mündige Stimmbürgerin auch die Folgen früherer Reformen kennen.
Diese Argumentation ist nicht akzeptabel. Natürlich ist es nicht einfach, herauszufinden, welche Folgen eine Reform tatsächlich gehabt hat, weil sich die Welt ja auch sonst verändert und mit ihr die fiskalischen Rahmenbedingungen. Natürlich kosten solch anspruchsvolle Schätzungen etwas. Dennoch sollte man die Mittel lockermachen und die tatsächlichen Effekte so gut wie möglich abzuschätzen versuchen. In einer Demokratie reicht es nicht, vor der Volksabstimmung über eine Steuererleichterung einmalig zu schätzen, wie viele Millionen oder Milliarden weniger (oder mehr) danach in die Bundeskasse fliessen könnten. Um sich eine Meinung bilden zu können, müssen der mündige Stimmbürger und die mündige Stimmbürgerin auch die Folgen früherer Reformen kennen.
Dazu braucht die Schweiz kein eigenes Institut wie Grossbritannien, Aufträge an Forschungsstellen an den einschlägigen Universitäten würden reichen. Davon würden nicht nur die Forscher profitieren. Sondern auch und vor allem unsere direkte Demokratie.
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