Analyse zu Trumps AnsteckungWer die Leute spüren will, geht ein Risiko ein
Mit Trump, Bolsonaro und Johnson haben sich drei rechtspopulistische Staatsführer mit dem Coronavirus angesteckt. Gibt es eine Erklärung?
Am 7. Februar 2020 erhielt US-Reporter Bob Woodward einen Anruf von Donald Trump. Der Präsident hatte mit China telefoniert und sprach von einem «Rückschlag» in Bezug auf den Covid-19-Ausbruch. Die Situation sei vertrackt, das Virus übertrage sich über die Luft und sei tödlicher als die normale Grippe.
Zu dieser Zeit wurden seine Aussagen in der Öffentlichkeit vom Weissen Haus bewusst so formuliert, dass dem Virus nicht zu viel Aufmerksamkeit zukam. «Ich mag es, das Virus herunterzuspielen, weil ich keine Panik erzeugen will», sagte der US-Präsident im März.
Es ist kein Zufall, dass Bob Woodward sein Buch «Wut» mit dieser Szene beginnt, es macht den Widerspruch rechtspopulistischer Politik offenbar: Trump hatte früh detaillierte Kenntnisse über die Tödlichkeit des Coronavirus, machte sich in seinen Reden aber immer wieder über die Krankheit lustig. Im Juni sagte er an einer Wahlkampf-Rally in Phoenix, er wisse nicht, wieso das Virus Covid-19 heisse und stiftete die Menge dazu an, es stattdessen «Kung Flu» zu nennen. Entgegen der Regeln der lokalen Behörde trug er während der Rede auch keine Maske.
Donald Trump soll es persönlich nicht mögen, wenn ihm die Leute zu nahe kommen.
Natürlich stecken sich nicht nur Rechtspopulisten mit dem Coronavirus an, in Italien etwa hat sich der Vorsitzende des Partito Democratico, Nicola Zingaretti, infiziert. Dass autoritäre Machthaber von Trump über Jair Bolsonaro bis Boris Johnson (und Silvio Berlusconi!) unterdessen aber alle eine Erkrankung vorweisen können, hat damit zu tun, dass sie die Fakten, die sie kennen, öffentlich verleugnen.
Das bedeutet nämlich, dass sie ihre Politik durch ihre Auftritte bestätigen müssen, sich also weigern, Maske zu tragen oder Abstände einzuhalten. Immer wieder hat Donald Trump Fotos schiessen lassen, die eine Menge von Mitarbeitern eng beisammen im Weissen Haus zeigt. Jair Bolsonaro bagatellisierte das Virus wiederholt, entliess seinen Gesundheitsminister und stellte Social Distancing infrage. Boris Johnson war stolz auf sich, als er sagte, er habe in einem Krankenhaus mit Coronavirus-Infizierten allen Anwesenden die Hand geschüttelt.
Bei Donald Trump ist die Cowboy-Verwegenheit gekoppelt mit dem wahlkämpferischen Angriff auf die Elite, die den einfachen Leuten Verhaltensregeln aufzwinge, die er selber eigentlich vorleben müsste. Zum Teil gilt die Gesichtsmaske in den USA als Accessoire von übervorsichtigen Memmen. «Wer eine Maske trägt, legt sich einen Maulkorb an», erzählte ein Trump-Wähler im Mai laut «Guardian». «Es wirkt schwach, besonders bei Männern.»
In der ersten Fernsehdebatte vom Dienstag spottete Trump über seinen Herausforderer Joe Biden: «Immer, wenn man ihn sieht, trägt er eine Maske.»
«Sie wollen dich küssen»
Trump soll es persönlich nicht mögen, wenn ihm die Leute zu nahe kommen, währenddem er in der Öffentlichkeit exakt diese Nähe zu den Menschen unterstreicht. Die «New York Times» schrieb, er habe sich irritiert gezeigt darüber, dass ein Mitarbeiter des Parkdiensts, der positiv auf der Virus getestet worden war, in seiner Gegenwart keine Maske getragen habe.
Seine enge Beraterin Hope Hicks habe sich womöglich deswegen mit dem Virus angesteckt, weil sie von Angehörigen des Militärs und von Polizisten umarmt worden sei: «Sie kommen zu dir, und sie wollen dich umarmen, und sie wollen dich küssen, weil wir wirklich gute Arbeit für sie geleistet haben.» Die Politik, die die Leute spüren will, wird so für die Mächtigen selber zur Gefahr.
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