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Militärterror in Burma
Wer auf Kinder schiesst, trifft die Eltern

Die Protestierenden schützen sich mit Helmen und selbstgemachten Schilden gegen die Angriffe durchs Militär. Zahlreiche Demonstranten wurden getötet. 
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Über 1500 Menschen sind bei den Protesten in Burma bisher von der Polizei und dem Militär festgenommen worden, mehr als 50 wurden erschossen. Dass es nicht noch mehr sind, hat vermutlich damit zu tun, dass die Protestierenden neben ihrer Streikstrategie eine sehr effektive Informationspolitik betreiben. Jeder Übergriff wird dokumentiert und über soziale Medien ins Ausland gesendet.

Man sieht also überall auf der Welt, dass das Militär das eigene Volk terrorisiert. Nächtliche Massenverhaftungen sind üblich, von Sonntag auf Montag wurde ein ganzes Viertel in Yangon abgeriegelt, um etwa 40 Jugendliche festzusetzen, die sich am Widerstand beteiligen. In sozialen Medien wird immer wieder von gezielten Exekutionen junger Menschen berichtet. Wer auf Kinder schiesst, trifft gleichzeitig die Eltern.

Das Volk will die Militärdiktatur loswerden

Diese Aktionen sollen international bekannt werden. Die Protestierenden wollen, dass das Ersatzparlament, kurz CRPH, anerkannt wird, aber keinesfalls die Junta. Seit dem Putsch am 1. Februar versucht die Bewegung für zivilen Ungehorsam, kurz CDM (»Civil Disobedience Movement»), mit einem Generalstreik, das Land lahmzulegen, unregierbar und unausbeutbar zu machen für die Junta. Die Armee ist in Burma in vielfältige Geschäfte involviert, in den Handel mit Rohstoffen und Edelsteinen, Tabak, das Bankenwesen.

«Gestern war hier in Yangon nur eine Bank geöffnet, die wurde aber gleich gestürmt und so viel Geld abgehoben, dass sie wieder schliessen musste», erklärt Khin Myo Wai (39), die an der Wirtschaftsuniversität in Yangon Demoskopie unterrichtet. Das Volk bekundet in seltener Einigkeit, dass es vor allem ein Ziel hat: die Militärjunta loszuwerden. Soldaten haben die Universität vor zwei Tagen besetzt, nachdem sich einige Professoren zum CDM bekannt hatten. Myo Wai arbeitet zu Hause, sie wirkt im Videogespräch sehr konzentriert, obwohl hinter ihr der Sohn tobt und draussen das Land von einer grossen Corona-Krise in den Staatsbankrott schlittert.

«Mein Mann war heute auf dem Markt, aber es kommen kaum noch Waren an», erzählt sie. Täglich würden sich mehr Berufsgruppen dem CDM anschliessen. Trotz gezielter Terroraktionen der Armee, trotz der steigenden Todeszahlen. «Es sind weniger Leute auf den Strassen, aber der Widerstand wächst.»

In Yangon brennen die Barrikaden, nachdem es in verschiedenen Stadtvierteln Kämpfe zwischen Demonstranten und dem Militär gab.

Die Tatmadaw, wie das Militär in Burma genannt wird, hat nicht nur den Widerstand der jungen Leute unterschätzt, sondern auch die Gegenwehr, die sie im gesamten Land durch den Putsch ausgelöst hat. Burma hat eine äusserst diverse Bevölkerung, was Religion und Ethnien angeht; einig sind sich die einzelnen Gruppen momentan nur im Widerstand.

«Jeden Tag werden noch mehr Protestierende eingesperrt, aber die Sache kommt nicht zur Ruhe.»

Khin Myo Wai von der Wirtschaftsuniversität Yangon

Das Militär gerät unter Druck, nicht so sehr durch UNO-Verurteilungen, sondern durch «Social Shaming»: das Bekanntmachen von Firmen, die mit der Junta zusammenarbeiten. «Das CDM agiert ausserdem klug, es gibt dort keine einzelnen Anführer, sondern ein Kollektiv», erklärt Myo Wai, «jeden Tag werden noch mehr Protestierende eingesperrt, aber die Sache kommt nicht zur Ruhe.»

Ihre Informationen bezieht Myo Wai hauptsächlich über Facebook. Das Militär hat Fernsehsender geschlossen und Redaktionen gestürmt, aber die Journalistinnen und Journalisten, die noch nicht festgenommen wurden, berichten weiter via Facebook. Auch auf Twitter sind mittlerweile viele aktiv, weil das international mehr Aufmerksamkeit bringt.

Dabei ist es wichtig, die richtigen Quellen zu kennen, sonst sitzt man der Empörung oder der Propaganda auf. Etwa einer der absurden Geschichten, die auf dem Militärsender laufen. Dort sollte in einer Informationssendung nach nordkoreanischer Machart am Wochenende erklärt werden, dass einer getöteten Demonstrantin von einem ihrer Mitdemonstranten in den Kopf geschossen wurde.

Am Dienstag starb der zweite Regierungsvertreter in Gefangenschaft.

«Die Junta war schlecht vorbereitet auf den Protest der Jugend, das CDM, die Gegenkräfte in den Provinzen», sagt Khin Myo Wai. Nun aber müsse man irgendwie wieder ins Gespräch kommen, «denn wenn die Armee einfach nur verliert, wird das nicht ohne grössere Gewalt über die Bühne gehen». Das CDM lehnt jede Beteiligung der Tatmadaw für eine Zukunftslösung ab, was nach den Ereignissen nachvollziehbar ist. Am Dienstag starb der zweite Vertreter der gewählten Regierungspartei in Gefangenschaft.

Die Armee wiederum würde, wenn sie von der Macht lässt und wirklich freie Wahlen erlaubt, in die Bedeutungslosigkeit versinken, das werden die Generäle nicht zulassen. Eine Lösung kann nur von innen kommen, auch wenn Aufmerksamkeit von aussen wichtig bleibt. Die Botschaften Burmas in den USA und Grossbritannien haben bereits durchblicken lassen, dass sie die Militärmachthaber nicht als Regierung anerkennen.