Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Nach Militärputsch in Burma
Abgesetzte Regierungschefin ruft zu Protesten auf

Protest in Tokio: Emigrierte Burmesen protestieren gegen die Vorkommnisse in ihrer Heimat und halten ein Plakat der abgesetzten Regierungschefin hoch.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Nach dem Putsch in Burma hat die Armee Neuwahlen nach dem einjährigen Ausnahmezustand versprochen. Die Machtübergabe werde nach «freien und fairen allgemeinen Wahlen» erfolgen, erklärte das Militär am Montag im Online-Netzwerk Facebook. Das Militär hatte zuvor mehrere Spitzenpolitiker des Landes festgenommen, darunter die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, und einen einjährigen Ausnahmezustand ausgerufen.

«Wir werden eine echte Mehrparteiendemokratie errichten», hiess es weiter in der Erklärung des Militärs. Die festgesetzte faktische Regierungschefin Suu Kyi dagegen forderte in einer Erklärung die Bevölkerung auf, den Militärputsch im Land nicht hinzunehmen. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) veröffentlichte das einseitige Schriftstück mit Aussagen der Friedensnobelpreisträgerin am Montag auf Facebook.

Die Machtübernahme der Armee zeige keinerlei Respekt für die Corona-Pandemie und ziele nur darauf ab, das Land wieder unter eine Militärdiktatur zu stellen, hiess es. «Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren.»

Auf den Strassen der Hauptstadt Naypyidaw und der grössten Stadt Rangun patrouillierten am Montag Soldaten. Telefonleitungen und das Internet in Naypyidaw wurden Berichten zufolge gekappt. Berichte über gewaltsame Zwischenfälle gab es zunächst nicht.

Seit Tagen hatte es Gerüchte über einen bevorstehenden Militärputsch in dem südostasiatischen Land gegeben. In der Nacht zu Montag liess die Armeeführung schliesslich die frühere Freiheitsikone Aung San Suu Kyi sowie Staatspräsident Win Myint und weitere ranghohe Politiker auch kleinerer Parteien festsetzen. Das bestätigte Myo Nyunt, ein Sprecher von Suu Kyis Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD), der Deutschen Presse-Agentur. Ob die Politiker festgenommen oder unter Hausarrest gestellt wurden, war zunächst unklar.

Zwischen der zivilen Regierung und dem mächtigen Militär hatte es seit längerem Spannungen gegeben wegen – bislang unbelegten – Vorwürfen des Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl vom November. Die NLD hatte die Abstimmung klar gewonnen, das Militär weigerte sich jedoch, das Ergebnis anzuerkennen. Nach den ursprünglichen Planungen hätte das neue Parlament am Montag erstmals zusammenkommen sollen.

Ein ranghoher Militärsprecher hatte in der vergangenen Woche vor Medienvertretern angedeutet, dass es zu einem Putsch kommen könnte, falls die Regierung nicht auf die Vorwürfe des Wahlbetrugs eingehen sollte. UNO-Generalsekretär António Guterres rief daraufhin dazu auf, jede Form von «Aufwiegelung oder Provokation» zu vermeiden und das Wahlergebnis anzuerkennen.

Internationale Gemeinschaft verurteilt Staatsstreich

Nach dem Putsch verurteilte Guterres die Übernahme der Regierungsmacht und Aufhebung der Gewaltenteilung durch das Militär. «Diese Entwicklungen bedeuten einen schweren Schlag für die demokratischen Reformen in Burma», liess der UNO-Chef über seinen Sprecher mitteilen. Die NLD habe bei der Wahl ein «starkes Mandat» des Volkes in Myanmar bekommen, das sich nach Demokratie, Frieden, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sehne. Ähnlich äusserten sich die Regierungen der USA und anderer Staaten sowie «Human Rights Watch» und andere Menschenrechtsorganisationen, die die Freilassung Suu Kyis und anderer vom Militär festgesetzter Politiker forderten.

US-Präsident Joe Biden sei von seinem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan über die Situation in dem südostasiatischen Land informiert worden. «Die Vereinigten Staaten lehnen alle Versuche ab, den Ausgang kürzlich abgehaltener Wahlen zu verändern oder den demokratischen Übergang in Burma zu behindern», hiess es in der Stellungnahme. Es würden «Massnahmen gegen die Verantwortlichen ergriffen, wenn diese Schritte nicht rückgängig gemacht werden».

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel hat den Staatsstreich «aufs Schärfste» verurteilt. Er fordere die Freilassung aller, «die bei Razzien im ganzen Land unrechtmässig festgenommen wurden», schrieb Michel am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. «Der Ausgang der Wahlen muss respektiert werden.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi hatte sich bei der Parlamentswahl eine zweite Amtszeit in dem Land mit knapp 54 Millionen Einwohnern gesichert. Ihre Partei NLD holte nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit, die Wahlbeteiligung lag über 70 Prozent.

Doch auch nach der Wahl blieb Suu Kyi auf die Kooperation mit dem Militär angewiesen. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern blieb für die Streitkräfte reserviert. So steht es in der Verfassung von 2008, die die Junta aufgesetzt hatte, um auch nach der Einleitung demokratischer Reformen nicht entmachtet zu werden.

Wegen einer anderen Klausel konnte Suu Kyi nicht Präsidentin werden, sondern regierte als Staatsrätin und somit De-Facto-Regierungschefin das frühere Birma. Ohne das Militär sind auch Verfassungsänderungen nicht möglich, zudem kontrollierte es bislang schon die wichtigsten Ministerien.

Nach einem Putsch im Jahr 1962 stand das Land fast ein halbes Jahrhundert lang unter einer Militärherrschaft. Suu Kyi setzte sich in den 1980er Jahren für einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb 15 Jahre unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie für ihren Einsatz gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit den Friedensnobelpreis.

International umstritten

Im eigenen Land ist die Politikerin sehr beliebt. International ist die frühere Freiheitsikone mittlerweile aber umstritten. So sind die versprochenen demokratischen Reformen in dem buddhistisch geprägten Land bislang weitgehend ausgeblieben und Suu Kyi zeigte selbst einen immer autoritäreren Regierungsstil.

Vor allem wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres Schweigens zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit steht Suu Kyi international in der Kritik. Mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen. In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag wies Suu Kyi die Vorwürfe 2019 zurück. Von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen, sagte sie damals.

An der Legitimität der Parlamentswahl hatten Wahlbeobachter bereits vor der Abstimmung Zweifel angemeldet. Grund: Die Wahlkommission hatte entschieden, dass in mehreren von ethnischen Minderheiten dominierten Konfliktregionen wegen Sicherheitsbedenken gar nicht gewählt werden durfte. Damit seien 1,5 Millionen Menschen von der Abstimmung ausgeschlossen worden, kritisierten Menschenrechtler im November. Zudem konnten Hunderttausende in Burma verbliebene Rohingya nicht teilnehmen, nachdem ihnen 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen worden war. «Human Rights Watch» sprach von einer Wahl mit «grundlegenden Mängeln». Lokale Wahlbeobachter bezeichneten das Abstimmungsresultat hingegen als «glaubwürdiges Ergebnis» einer Wahl ohne nennenswerte Unregelmässigkeiten.

SDA/AFP/fal