ZoomWenn Vater und Sohn auf den Ruinen ihrer Stadt stehen
Mehr als blosse Betroffenheit: Die ukrainischen Fotografen Mykhaylo Palinchak und Roman Bordun zeigen die Situation der Kinder in ihrer Heimat.
Auf der Kommode steht die Fotografie eines Mädchens mit einem Rosenstrauss in der Hand. Daneben liegen Glasscherben. Die Schubladen sind aufgerissen, jemand hat hektisch darin herumgewühlt. Aufgenommen hat das Bild der ukrainische Fotograf und Filmemacher Roman Bordun letzten Mai in einem zerbombten Haus in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt Butscha.
Täglich sehen wir die Bilder des Kriegs in der Ukraine. Die Fotografien, die derzeit in der Ausstellung «Snap The War» im Kulturlokal ONO in Bern hängen, sind keine Schockbilder. Und doch erschüttern sie zutiefst, denn sie zeigen die Situation der verletzlichsten Bevölkerungsgruppe: der Kinder.
Laut der ukrainischen Stiftung Ridni, die sich seit über zehn Jahren für Kinderrechte einsetzt und die Ausstellung initiiert hat, wurden bis Stand 1. Januar 2023 in der Ukraine 876 Kinder verwundet und 452 getötet. 3126 Bildungsinstitutionen wurden beschädigt, 337 total zerstört. Über vier Millionen Kinder mussten ihr Zuhause verlassen, drei Millionen Kinder sind noch dort. Die Zahl der Waisen steigt. Jeden Tag.
Neben Bordun zeigt auch der bekannte ukrainische Strassen- und Dokumentarfotograf Mykhaylo Palinchak seine Bilder. Er lebt in Kiew, ist derzeit aber im ganzen Land unterwegs, um den Krieg und seine Folgen zu dokumentieren. Beide bleiben sie in ihrer Bildsprache subtil, oft auch nur symbolisch. Diese Bilder wollen nicht nur blosse Betroffenheit auslösen. Und doch ist ihre Aussage unmissverständlich.
Das Mädchen, das auf dem zerstörten russischen Panzer steht. Eine Frau namens Vita, die mit ihrem zweijährigen Sohn die meiste Zeit in einem U-Bahn-Waggon in einer U-Bahn-Station in Kiew verbringt. Auf der schmalen Ablage zwei Äpfel und ein paar kleine Heiligenbilder. Ein Vater, der seinem Sohn eine Patronenhülse auf den Ruinen in der Stadt Hostomel zeigt.
Und schliesslich die Fotografie des 17-jährigen Vladyslav, der mit seinem Handy eine Kellerwand beleuchtet. Einen Monat verbrachte er mit mehr als 300 anderen Dorfbewohnern im Keller einer Grundschule im Dorf Jahidne in der Region Tschernihiw, das von russischen Truppen besetzt war. Über zehn Menschen starben. Diese Todesfälle wurden an den Kellerwänden aufgezeichnet. Wie auch ein Kalender über ihre Gefangenschaft. Dort steht geschrieben: «Tag 31 – die Unseren sind gekommen.»
Die Ausstellung im Kulturlokal Ono in Bern dauert bis am 25. März.
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