Von Kopf bis Fuss: Lust auf EssenWenn der Heisshunger kommt
Es liegt nicht nur an unserer Willensschwäche, wenn wir unseren Gelüsten nachgeben. Das haben Basler Forschende in einer neuen Studie herausgefunden.
Sie kennen das sicher auch: Verführerisches Essen nur schon auf Bildern zu sehen, kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Und erst recht packt uns diese Lust, wenn wir den Geruch von feinem Essen wahrnehmen. Manche können nicht einfach so an einer Bäckerei vorbeigehen, wenn sie den Duft von frischem Brot riechen. Andere wiederum packt die Gier, wenn sie bereits von weitem Grilladen erschnuppern. Und damit sind nicht nur unsere vierbeinigen Freunde gemeint.
Bevor uns unsere Gelüste «willenlos» machen, appellieren wir gerne an unsere Selbstbeherrschung, und machen in der Folge einen Bogen um die Bäckerei oder den Wurststand. Doch nicht immer ist diese Taktik erfolgreich, und unser innerer Schweinehund triumphiert. Sind wir darum schwach, oder gar undiszipliniert?
Bereits der Anblick oder der Duft einer Mahlzeit führt zur Freisetzung von Insulin.
Die gute Nachricht zuerst: Nicht immer löst mangelnde Selbstbeherrschung diese Lust aufs Essen aus. Sondern es ist quasi eine chemische Reaktion von Hirn und Körper auf den Reiz. Das haben Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel herausgefunden. Sie zeigen in einer neuen Studie, die sie jetzt im Fachmagazin «Cell Metabolism» veröffentlichten, dass bereits der Anblick oder der Duft einer Mahlzeit zur Freisetzung von Insulin führt.
Das körpereigene Insulin ist ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Es ist wichtig für den Stoffwechsel. Es sorgt dafür, dass der Zucker in unserem Blut – Glucose – in die Zellen transportiert wird. Dadurch wirkt es blutzuckersenkend. Bei Menschen mit Diabetes ist dieser Vorgang gestört. Wenn er richtig funktioniert, sorgt er, wenn wir Nahrung aufnehmen, für die Ausschüttung von Insulin. Und dieses reguliert die Verteilung der Glucose in die Körperzellen und sorgt für einen Ausgleich des Blutzuckerspiegels.
Kurzzeitige Entzündungsreaktion
Die Forschungsgruppe von Professor Marc Donath vom Departement Biomedizin und der Klinik für Endokrinologie in Basel hat nun herausgefunden, dass der Anblick und der Geruch von Essen eine kurzzeitige Entzündungsreaktion im Hirn auslösen. Diese braucht es, um Insulin freizusetzen. Die Fachleute nennen das eine neuronal vermittelte Phase der Insulinfreisetzung. Laut einer Mitteilung der Universität Basel war bisher unklar, «wie aus der sinnlichen Wahrnehmung einer Mahlzeit das Signal an die Bauchspeicheldrüse entsteht, die Insulinproduktion hochzufahren».
Als Teil dieses Systems identifizierten die Basler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Entzündungsfaktor, der Interleukin-1 beta (IL-1 beta) genannt wird. «Dass dieser Entzündungsfaktor bei Gesunden für einen erheblichen Anteil einer normal funktionierenden Insulinausschüttung verantwortlich ist, ist deshalb überraschend, weil er auch in die Entstehung von Typ-2-Diabetes involviert ist», so Professor Donath.
«Geruch und Anblick einer Mahlzeit regen bestimmte Immunzellen im Hirn an.»
Bei dieser Zuckerkrankheit schädigt eine chronische Entzündung auch die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse – und dadurch wird zu viel IL-1 beta produziert. In klinischen Studien werde darum derzeit geprüft, ob sich Hemmstoffe gegen diesen Entzündungsfaktor als Therapie bei Diabetes eignen.
Ganz anders sehe dies bei der neuronal ausgelösten Insulinausschüttung aus. «Geruch und Anblick einer Mahlzeit regen bestimmte Immunzellen im Hirn an, die sogenannten Mikroglia», wird Studienautorin Sophia Wiedemann, Assistenzärztin für Innere Medizin, in der Mitteilung der Uni Basel zitiert. «Diese schütten kurzfristig IL-1 beta aus, was wiederum über den Vagusnerv das vegetative Nervensystem anspricht.» Über dieses gelange das Signal dann an die Bauchspeicheldrüse, wo die Insulinausschüttung erfolgt. Um dem Insulin etwas zu tun zu geben, stürzen wir uns auf das Essen.
Appetit auf mehr?
Insulin ist einerseits ein körpereigenes Hormon, andererseits auch ein Medikament, das gegen Diabetes-Erkrankungen eingesetzt wird. Interessant ist auch, dass Insulin sowohl Heisshungerattacken fördern wie auch das Hungergefühl dämpfen kann. Essen wir viel Süsses, stimulieren vom Körper leicht aufzunehmende Kohlenhydrate die Insulinausschüttung. Dieses sorgt für die rasche Verteilung der Glucose im Körper und weckt den Appetit auf mehr.
Andererseits haben Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in Tübingen festgestellt, dass Insulin durch die Aktivierung bestimmter Hirnregionen helfen kann, das Hungergefühl zu regulieren. Die deutschen Forschenden stellten in einer weiteren Studie zudem fest, dass durch die nasale Verabreichung von Insulin, etwa mit einem Spray, dieses direkt ins Gehirn gelangt – und die Lust auf stark zuckerhaltiges und auch sehr fettiges Essen dämpfen kann.
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