Aufflammende Viren-HerdeLokale Corona-Ausbrüche eindämmen
In Südkorea zeigt sich, was auch bei uns passieren könnte: Es gibt Viren-Herde und die werden dann mit riesigem Aufwand unter Kontrolle gebracht. Jüngster Fall: Ein Infizierter im Nachtleben, 80’000 Tests, fast 250 Ansteckungen.
Südkorea gilt als Vorbild in der Corona-Krise. Lange blieben die Anzahl gemeldeter Neuinfektionen sehr tief, doch dann meldete sich das Virus Anfang Mai wieder zurück. Koreas Zentrum für Seuchenkontrolle meldete 34 neue Fälle, 24 davon in Verbindung mit einem 29-Jährigen, welcher Tage zuvor durch Bars und Clubs im Ausgangsviertel Itaewon gezogen war. Bei den 24 Infizierten sollte es jedoch nicht bleiben. Die Behörden testeten innert weniger Tage über 80’000 Personen auf das Virus und fanden fast 250 Infizierte – allesamt indirekt in Verbindung mit einem Partybesucher.
Sorge bereitet den Behörden ausserdem ein Ausbruch in einem Logistikzentrum in der westlich von Seoul gelegenen Stadt Bucheon, wo nun alle Mitarbeiter getestet werden sollen. Dort wurden bisher mehr als 80 Mitarbeitende und Kontaktpersonen des 4000 Mitarbeiter grossen Betriebs als infiziert gemeldet, ebenfalls ausgehend von einem Besucher des Seouler Nachtlebens, wo auch während der Corona-Krise die Clubs geöffnet blieben, inzwischen jedoch geschlossen wurden. Die Mitarbeitenden hätten sich nicht an die Distanz- und Hygieneregeln wie das Maskentragen gehalten, erklärte der Vizedirektor der südkoreanischen Seuchenkontrolle, Kwon Jun-wook.
Die Regierung in Seoul hat am Donnerstag nun erneut Einschränkungen des öffentlichen Lebens verhängt, nachdem die Halbinsel mit 79 Neuinfektionen, 67 davon in Seoul und Umgebung, den grössten Anstieg innert 24 Stunden seit fast zwei Monaten gemeldet hatte. Gesundheitsminister Park Neung-hoo kündigte am Donnerstag die zweiwöchige Schliessung von Museen, Theatern, Parks und Mehrzweckhallen in der 26-Millionen-Einwohner-Metropole an. Zudem rief er die Menschen dazu auf, Versammlungen und bevölkerungsreiche Orte wie Restaurants und Bars zu meiden. Die nächsten zwei Wochen seien kritisch, betonte der Minister.
Trotz milden Massnahmen – die südkoreanische Regierung verhängte nicht einmal einen strengen Lockdown – hatte die Halbinsel das Coronavirus innert kürzester Zeit unter Kontrolle gebracht, vor allem dank massenhaften Tests und Contact-Tracing sowie eiserner Disziplin der Bevölkerung. Bis vor kurzem verzeichnete Südkorea nur noch vereinzelte, importierte Neuinfektionen, im Inland schien das Virus gänzlich ausgerottet.
Ausblick auf die Schweiz
Da die meisten ostasiatischen Länder früher vom Virus betroffen waren als der Rest der Welt, dürfte Südkorea in mancherlei Hinsicht als Frühwarnsystem dienen. Im Unterschied zu den meisten Ländern im Westen – die Schweiz miteingeschlossen – hat Südkorea zwar nie stark einschränkende Massnahmen verhängt. Da sich die anderen Länder nun aber langsam in Richtung «Normalisierung» bewegen und sich somit Südkorea annähern, werden auch Vergleiche wieder einfacher.
Und so sieht Südkorea nach einer Periode der Erholung erstmals wieder einzelne Virus-Hotspots aufflammen. Ähnliche «Rebounds» erlebte zum Beispiel auch Frankfurt, wo sich über 100 Personen nach einem Gottesdienst angesteckt hatten. Dasselbe kann auch in der Schweiz passieren, jetzt, wo alle restlichen Betriebe wie Schwimmbäder oder Discos geöffnet und das Versammlungs- und Veranstaltungsverbot per 30. Mai sowie 6. Juni gelockert wird. Dass tiefe Fallzahlen keine Garantie gegen ein erneutes Aufflackern sind, zeigen Länder wie Südkorea also eindrücklich.
Zu einem erneuten grossflächigen Ausbruch wird es aber laut dem Public-Health-Experten und Mitglied der Swiss National Covid-19 Science Task Force Marcel Tanner nicht kommen. «Eine flächendeckende zweite Welle wird es so keine mehr geben, sondern einzelne Infektionsherde, die aufflackern», sagte er im Interview mit dieser Zeitung.
Inzwischen sei die Schweiz besser gerüstet. «Damals hatten wir kein System zur Überwachung der einzelnen Ansteckungen. Wir konnten sie nicht lokalisieren. Jetzt sind wir in vielerlei Hinsicht viel besser dran», versicherte Tanner.
Dass eine gute Vorbereitung Wunder bewirken kann, zeigte auch Südkorea bei der Bekämpfung der ersten Welle. Das Land hatte wegen des Mers-Ausbruchs vor fünf Jahren bereits viel Erfahrung im Umgang mit Epidemien sammeln können.
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