Analyse zu Bundesrats-InternaWenn Amherd aus der Schule plaudert
Bundesrätin Viola Amherd macht detaillierte Angaben zu geheimen Bundesratsgesprächen rund um den Kampfjetentscheid und wirft damit neue Fragen auf.
Der Vorgang ist aussergewöhnlich: Bundesrätin Viola Amherd berichtet öffentlich detailliert über interne Vorgänge im Bundesrat – und dies in einer brisanten Frage. Diese lautet, weshalb bürgerliche Bundesratskollegen unmittelbar vor dem Kampfjetentscheid noch Verhandlungen mit Frankreich führten, als die USA den Zuschlag bereits auf sicher hatten. Nach einer Evaluation des Verteidigungsdepartements kam bereits ab vergangenem Frühjahr nur noch die amerikanische F-35 infrage.
Konkret sagte die Verteidigungsministerin gemäss CH Media: «Im Mai 2021 habe ich dem Sicherheitsausschuss (SIA) des Bundesrats das Evaluationsergebnis präsentiert.» Der SIA, in dem auch Aussenminister Ignazio Cassis und Justizministerin Karin Keller-Sutter vertreten sind, habe «einhellig festgestellt, dass der Abstand zwischen der F-35A zu den Mitbewerbern sehr klar und dermassen gross ist, dass es keinen Spielraum für politische Erwägungen gibt». Und weiter: «Ich habe die anderen Mitglieder des Bundesrats Anfang Juni persönlich und mündlich über das Resultat und die einhellige Feststellung des SIA informiert.»
Damit sei klar gewesen, so Amherd, dass mit den Herstellerländern keine Verhandlungen zu führen waren. «Wenn solche stattgefunden haben, dann ohne mein Wissen.»
Sollte der Gesamtbundesrat Bundesrätin Amherds Aussagen nicht genehmigt haben, hat man es hier allenfalls mit einer Amtsgeheimnisverletzung zu tun, sicher aber mit einem Bruch des Kollegialitätsprinzips – denn sie lassen nicht nur das Gesamtgremium schlecht aussehen, sondern insbesondere drei bürgerliche Bundesräte.
Öffentlich bekannt ist nach Medienrecherchen seit zwei Wochen, dass Ueli Maurer (Finanzen), Ignazio Cassis (Äusseres) und Guy Parmelin (Wirtschaft) Verhandlungen mit Frankreich geführt hatten, die über einen reinen Rüstungsdeal hinausgingen. Diese Verhandlungen dauerten bis kurz vor dem Typenentscheid des Bundesrats, der am 30. Juni 2021 zugunsten des US-Jets F-35 ausfiel.
Frankreich hatte sich bereit gezeigt, der Schweiz im Steuerbereich Mehreinnahmen in Milliardenhöhe zu bescheren, eine politstrategische Zusammenarbeit zu etablieren sowie Fürsprachen bei der EU zu leisten. Nun fühlt es sich hintergangen und lädt die Schweiz nicht mehr zu Ministertreffen ein.
Handeln ohne Mandat?
Der tiefe Einblick in den Bundesrat, den Amherd gewährt, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern zieht auch neue Fragen nach sich – zum genauen Ablauf der Evaluation, zur Koordination von Rüstungskauf und politischen Verhandlungen mit den Anbieternationen sowie zum offensichtlich unkoordinierten Vorgehen von Bundesrat und Verwaltung.
Hat Guy Parmelin, vergangenes Jahr Bundespräsident, tatsächlich ohne Absprache im Bundesrat mit dem französischen Präsidenten Macron verhandelt? Hat er dies in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister zusammen mit Finanzminister Ueli Maurer und dem französischen Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ebenfalls ohne Bundesratsmandat getan?
Welcher Preis für die F-35 lag der Diskussion im Sicherheitsausschuss des Bundesrats zugrunde, die – wie es Amherd nun detailliert schildert – zum «einhelligen» Schluss führte, dass kein anderer Jet infrage komme und damit politische Erwägungen ausgeschlossen seien? Waren es die anfänglich kommunizierten 5,068 Milliarden Franken oder die später mitgeteilten, teuerungsbereinigten gut 6 Milliarden oder die Lebensdauerkosten über 30 Jahre, die zwei Milliarden günstiger ausfallen sollen als bei der Konkurrenz? Oder alles zusammen?
Fragen über Fragen. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats eröffnet ihre Untersuchungen in der Sache in diesem Monat. Von ihren Antworten hängt auch ab, ob der neue Jet aus den USA eine Volksabstimmung übersteht.
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