Beschaffung von KampfjetsJetzt zeigen die Franzosen der Schweiz die kalte Schulter
Paris bot für einen Fliegerzuschlag lukrative politische Gegengeschäfte. Eines hätte dem Bund 3,5 Milliarden gebracht. Doch Bundesräte machten falsche Hoffnungen.
Nun wird klarer, weshalb Frankreich seit dem 30. Juni ganz schlecht auf die Schweiz zu sprechen ist. An jenem Tag gab der Bundesrat bekannt, dass er den Tarnkappenbomber F-35 aus den USA kaufen will. Frankreich mit seinem Kampfjet Rafale zog den Kürzeren – und fühlt sich seither hintergangen.
Denn damit platzte, wie jetzt bekannt wird, eine ganze Reihe von aussen-, wirtschafts- und finanzpolitischen Deals, welche die Regierung von Emmanuel Macron zuvor auf Drängen der Schweiz offeriert und schriftlich vorbereitet hatte. Konkret gescheitert sind Abkommen in den Bereichen Wissenschaft und Bildung sowie neue Abmachungen bei der Besteuerung von Grenzgängern. Aber auch Verbesserungen bei der gemeinsamen Kriminalitätsbekämpfung und in der Verkehrsinfrastruktur.
Paris stellte Steuereinnahmen in Aussicht
Das Onlinemagazin «Republik» veröffentlichte dazu am Mittwoch neue Rechercheresultate. Demnach hätte die Schweiz allein wegen Menschen, die in Frankreich leben, aber diesseits der Grenze arbeiten, während der nächsten 30 Jahre insgesamt 3,5 Milliarden Franken mehr eingenommen. Frankreich sicherte angeblich verbindlich zu, einen höheren Teil seiner Steuereinnahmen aus den Löhnen von Grenzgängerinnen und Grenzgängern an die Schweiz zu überweisen. Dies selbstredend nur dann, wenn sich der Bundesrat für den französischen Kampfjet Rafale entscheidet.
Wichtige Punkte im Artikel der «Republik» decken sich mit Kenntnissen dieser Redaktion über politische und diplomatische Verhandlungen im Vorfeld des Kampfjetentscheids. So trafen sich der französische und der Schweizer Aussenminister, um in Ergänzung zum Rüstungsgeschäft politische Deals auszuhandeln. Sogar der französische Superminister für Wirtschaft und Finanzen, Bruno Le Maire, weilte Ende März in der Schweiz. Er traf auf dem Landsitz Lohn bei Bern mit Finanzminister Ueli Maurer und Wirtschaftsminister Guy Parmelin zusammen. Auch hier ging es um politische Abmachungen unter Nachbarn.
Die Schweiz brachte immer neue Forderungen und Wünsche auf den Tisch, auf die die Franzosen eingingen.
Das Aussen-, das Finanz- und das Wirtschaftsdepartement des Bundes liessen Frankreich bis in den Sommer hinein im Glauben, dass die Schweiz den Rafale von Dassault kaufen werde. Die Schweiz brachte immer neue Forderungen und Wünsche auf den Tisch, auf die die Franzosen eingingen.
Als dann der Kampfjetkauf beim westlichen Nachbarn platzte, brach Frankreich vorübergehend hochrangige diplomatische Kontakte ab. Dies geht aus einer vertraulichen Notiz des Bundesrats hervor, über welche die «Republik» berichtet. Darin heisst es als Begründung für die diplomatische Verstimmung Frankreichs: «Es wird ein Zusammenhang mit dem Kampfjetentscheid vermutet.»
Eine Zeit lang schien in der Schweiz die rechte Hand nicht zu wissen, was die linke tut. Jedenfalls verlangte Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte), Wochen bevor sie den Typenentscheid des Bundesrats verkündete, dass die Bundesräte Ignazio Cassis (FDP), Ueli Maurer (SVP) und Guy Parmelin (SVP) ihre Verhandlungen mit Frankreich abbrechen müssten. Dies, weil im Verteidigungsdepartement bereits klar war, dass allein aus finanziellen Gründen nur der Tarnkappenjet F-35 infrage komme. Doch namentlich das Aussendepartement verhandelte trotz Amherds Aufruf weiter mit Frankreich.
Fahrplan für neue EU-Verträge
Aufgrund dieser Verhandlungen bot sich die französische Staatsspitze der Schweiz als langfristiger politstrategischer Partner an. Diese Partnerschaft hätte auch beinhaltet, dass sich Frankreich während seiner EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahres für konkrete europapolitische Entscheide zugunsten der Schweiz eingesetzt hätte.
Das Aussendepartement von Ignazio Cassis und das französische Aussendepartement hatten einen genauen Fahrplan ausgearbeitet, mit dem Abkommen zwischen der EU und der Schweiz hätten erreicht werden sollen. Dies unter Berücksichtigung eines hohen Masses an Souveränität der Schweiz. Noch am Tag vor dem Entscheid rief Emmanuel Macron den damaligen Bundespräsidenten Parmelin an – auch dies war vergebene Liebesmüh.
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