Analyse zum Verhältnis zur SchweizFrankreich will hofiert, nicht ignoriert werden
Zwischen Bern und Paris gibt es aktuell atmosphärische Störungen. Dauern sie länger an, bekommen die Grenzregionen von Genf bis Basel Probleme.
Innige Freunde müssen die Schweiz und Frankreich nicht zwingend sein. Sich gut verständigen können, das sollten sie aber schon. Davon profitieren beide Staaten.
Doch aktuell gibt es gerade einige Verständigungsprobleme. Mit ausgelöst hat sie der Bundesrat mit seinem Entscheid, einen amerikanischen statt den französischen Kampfjet zu beschaffen. Frankreich hat der Schweiz mit seiner Rafale diverse Goodies, sogenannte Gegengeschäfte, offeriert – und trotzdem verloren.
Weil sich in Frankreich traditionsgemäss der Staatschef persönlich um Rüstungsgeschäfte kümmert, dürfte Emmanuel Macron nun den Eindruck haben, dass die Schweiz seinen Support nicht nötig hat. Für einen Präsidenten der Grande Nation ist das schwer zu ertragen. Das historische Selbstverständnis von Frankreichs Notabeln ist, hofiert, aber sicher nicht ignoriert zu werden.
Warmer Dank aus Paris
Die atmosphärische Störung zwischen Bern und Paris erstaunt. Bis vor kurzem galt das nachbarschaftliche Verhältnis als eher gut. Zu Beginn der Corona-Pandemie richtete Frankreich warme Dankesworte an die Schweiz. Denn als den französischen Spitälern zu Beginn der Pandemie der Kollaps drohte, nahmen Schweizer Kliniken französische Corona-Patienten generös bei sich auf.
Doch hinter vorgehaltener Hand hiess es rasch, diese humanitäre Geste sei so selbstlos auch wieder nicht gewesen. Die Schweiz hätte französische Patienten auch aus Eigeninteresse bei sich gepflegt. Per Gesetz hätte Frankreich nämlich sein eigenes Pflegepersonal, das in Schweizer Spitälern arbeitet, zwangsrekrutieren und in die eigenen Kliniken beordern können. Dann hätten die Franzosen den Schweizer Spitälern gefehlt, und in der Romandie wäre das Gesundheitssystem mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zusammengebrochen. Die Schweiz wusste diesen «worst case» zu verhindern.
Auch rund um die Kampfjetbeschaffung bot sich dem Bundesrat Spielraum, Frankreich zu beruhigen. Doch dabei ist zweifellos einiges schiefgegangen.
«Eine Blockade würden wir früher oder später spüren.»
Bern tut gut daran, die Nerven des Nachbarn nicht zu sehr zu strapazieren. Denn wenn es zwischen den Hauptstädten rumpelt, werden das auch die Grenzregionen zu spüren bekommen. Der Basler Regierungspräsident Beat Jans sagt, was seine Kollegen in Genf und Delsberg bestätigen: «Wenn es um gemeinsame Projekte wie den Verkehr oder die Infrastruktur geht, sind wir letztlich meistens auf die Unterstützung aus Paris angewiesen. Eine Blockade würden wir früher oder später spüren.»
Paris hat das letzte Wort
Noch gibt es in den Grenzregionen keine Blockaden. Ganz im Gegenteil: Am Genfersee wurde eben erst die S-Bahn «Léman Express» eingeweiht, die im Viertelstundentakt zwischen Annemasse (F) und Coppet VD zirkuliert. Ein Jahrhundertprojekt. Im Grossraum Genf sind die Beziehungen inzwischen derart weit fortgeschritten, dass französische Gemeinden sich heute von selbst in die Schweizer Stadtplanung einfügen.
Doch andernorts sind gemeinsame Projekte noch längst nicht realisiert. Der jurassische Staatsrat David Eray macht auf französischer Seite seit einiger Zeit beliebt, dass mehr Züge über die Landesgrenze fahren und Umsteigehalte eliminiert werden. Doch Eray kann nicht selbst entscheiden. Er braucht die Unterstützung von einer französischen Regionalbehörde und weiss, dass Paris stets das letzte Wort hat.
Darum ist Eray für seine Arbeit auch auf den Bundesrat angewiesen, der in Dossiers wie dem Kampfjetkauf aktiv kommuniziert und die schlechte Nachricht umsichtig erläutert. Zur Unterstützung der Grenzregionen sollte Bern die Beziehungen zu Paris schleunigst reparieren.
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