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Schutzkonzept Kulturveranstaltungen
Wenig schreien, nicht küssen


Das geht wohl in nächster Zeit nicht: «King Arthur» am Theater Basel in Stephan Kimmigs Inszenierung von 2018.
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Abstand halten: Was auf der Strasse gilt, ist auch in den Theatern und Konzertsälen die wichtigste Vorsichtsmassnahme. Aber wie gross muss dieser Abstand sein? Und wie lässt er sich einhalten in Orchestern, Chören und Theaterensembles, in denen die Nähe sozusagen zum Job gehört? Drei Verbände (der Schweizerische Bühnenverband, der Schweizer Verband der technischen Bühnen- und Veranstaltungsberufe sowie der Verband der Schweizerischen Berufsorchester) haben ein 64-seitiges Schutzkonzept entworfen, das nun beim Bund eingereicht wird – und sich in einem Punkt markant von der ersten Version unterscheidet.

Wie viel Abstand ist genug?

Vier Quadratmeter Platz pro Person: Dies ist der Referenzwert, der im Schutzkonzept neu für alle Kategorien gilt. Gegenüber der ersten Version ist er in einigen Sparten geschrumpft: Für Sängerinnen und Blasmusiker war man da noch von zehn Quadratmetern ausgegangen. Die Institutionen dürften die Änderung mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen, denn mit dem neuen Wert sind auf den Bühnen deutlich grössere Besetzungen möglich als zunächst befürchtet – und damit auch ein breiteres Repertoire.

Die Grundlage für den reduzierten Wert liefern unter anderem Messungen, die der Arbeitshygieniker Thomas Eiche in Basel durchgeführt hat: Sie haben gezeigt, dass der Ausstoss von Tröpfchen wie auch von Aerosolen, also den länger im Raum schwebenden Kleinstpartikeln, bei Blasinstrumenten gering ist. Auch Singen scheint nicht heikel zu sein. Den einzigen Peak verzeichnen die Kurven bei «lautem Schreien» und «wütend lautem Sprechen» (in der Grafik unter «rufen/schreien» zusammengefasst): Setzt künftig ein Schauspieler zur Tirade an, gilt es also, in Deckung zu gehen.

Die Angaben beziehen sich auf Messungen, die der Arbeitshygieniker Thomas Eiche in Basel mit Bläsern, Sängern und Schauspielern durchgeführt hat.

Berühren verboten

Direkter Körperkontakt bei Proben und auf der Bühne ist zu vermeiden, Küsse und Berührungen im Gesicht sind nicht möglich. Und natürlich gilt dies nicht nur für Neuproduktionen: Auch Wiederaufnahmen – die insbesondere im Zürcher Opernhaus einen beträchtlichen Teil des Spielplans ausmachen – sind entsprechend umzugestalten.

Bildung von festen Teams

Um die Übersicht über die Kontakte zu halten, wird Theatergruppen, Chören und Orchestern empfohlen, mit möglichst kleinen, festen Teams zu arbeiten. Diese Gruppen proben nicht nur ausschliesslich zusammen, sie sollen sich auch in den Garderoben nicht mischen. Die Teilnahme ist freiwillig; aber wer dabei ist, muss sich auch abseits der Bühne an strenge Richtlinien halten und die Contact-Tracing-App des Bundes nutzen.

Hinter der Bühne

Abstand, häufiges Desinfizieren, Schutzmasken: Die Massnahmen, die um die Bühnen und Konzertpodien herum gelten, sind nicht überraschend – aber im Kulturbetrieb teilweise schwierig umzusetzen und im Schutzkonzept entsprechend detailliert ausformuliert.

Der Orchesterwart hat die Notenblätter mit Schutzhandschuhen auf die Pulte zu legen; Klaviertasten sind mit einem desinfizierenden Lappen zu reinigen; Schauspielerinnen sollen sich nach Möglichkeit selber schminken; beim Einlass in die Proberäume ist auf Einhaltung der Distanz zu achten. Beim Bühnenaufbau und in den Werkstätten, wo direkte Kontakte bei gemeinsamen Arbeiten nicht immer vermieden werden können, sollen diese auf fünf Minuten beschränkt werden; danach ist eine zehnminütige Distanz fällig.

Und das Publikum?

So voll wird es im Theater Basel nicht so schnell wieder sein.

Um die Kontakte so gering wie möglich zu halten, soll das Publikum über verschiedene Eingänge in den Saal geschleust werden – und über getrennte Ausgänge wieder hinaus. Wie es drin aussehen wird, wie voll die Säle ab wann wieder sein dürfen: Diese Frage wird der Bundesrat am 27. Mai beantworten. Das Schutzkonzept liefert schon mal drei mögliche Szenarien. Beim ersten wird der Abstand von zwei Metern eingehalten – mit dem Resultat, dass nur rund ein Viertel der Plätze besetzt werden kann, bei ungünstigen Grundrissen sogar noch weniger. Dass dies für die Veranstalter finanziell dramatische Konsequenzen hätte, liegt auf der Hand.

Ein zweites, favorisiertes Szenario bezieht darum die Tatsache mit ein, dass Zuschauer in Theatern und Konzertsälen auf ihren Plätzen sitzen bleiben, alle in dieselbe Richtung schauen und in der Regel nicht sprechen. Deshalb könnte es genügen, wenn zwischen Personen, Paaren oder Familien jeweils ein Platz frei bleibt; die mögliche Auslastung könnte so auf rund 70 Prozent gesteigert werden.

Das dritte Szenario wäre dann die volle Besetzung der Säle. Diese wäre aber in der Einschätzung der Konzeptverfasser höchstens dann möglich, wenn alle Personen Schutzmasken tragen und sämtliche Kontaktdaten erfasst werden.

Welches sind die Folgen?

Die Konsequenz aus all dem ist bereits in der Vorbemerkung des Schutzkonzeptes formuliert: «Künstlerische Einschnitte, Mindereinnahmen und Mehraufwand kann das Konzept nicht verhindern.» Selbst wenn die Kulturveranstalter wieder starten dürfen – einfach wird es nicht.