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Christian Seilers Kochratgeber
Welche Kniffe für einen gelungenen Risotto wirklich notwendig sind

«Der Geschmack kommt von allem, was du im Verlauf des Kochens dazugibst»: Sternekoch Roland Trettl sagt, was für einen gelungenen Risotto wirklich notwendig ist.
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Seit Jahren treibt mich die Frage um, welche Kniffe für einen gelungenen Risotto wirklich notwendig sind. Vielleicht können Sie mir helfen?

Ich werde es versuchen, und zwar mithilfe des Südtiroler Sternekochs Roland Trettl. Trettl, ein Meister seiner Zunft, lange Jahre die rechte Hand von Eckart Witzigmann und seit ein paar Jahren Fernsehstar im Unterhaltungssektor, hat Risotti gekocht, die mir Tränen der Rührung über die Wangen laufen liessen. Ausserdem hat er eine sehr unkonventionelle Meinung zu den Dogmen, die rund um sein Lieblingsgericht im Umlauf sind. Hören Sie Trettl im O-Ton:

«An einem Risotto kannst du als Koch viel zeigen. Am Anfang steht das feine Schneiden der Schalotten, das Streicheln des Reiskornes – dieser feine Umgang, dieser Respekt, diese Vorsicht, das einzelne Reiskorn nicht zu verletzen. Du musst zeigen, dass du mit Hitze gut umgehen kannst. Du darfst am Anfang das Reiskorn nicht anrösten, wie es viele machen, weil es auch in den Schulen gelehrt wird und in vielen Kochbüchern steht. Für mich ist das ein fataler Fehler, weil der Geschmack ja nicht vom Röststoff des Reises kommt. Der Geschmack kommt von allem, was du im Verlauf des Kochens dazugibst.

Aber so weit sind wir noch gar nicht. Du musst die Schalotten am Anfang richtig anglasieren und nicht zu roh lassen, bevor der Reis dazukommt. Dann gibst du den Reis in den Topf und musst augenblicklich mit Flüssigkeit draufgehen.

«Was du am Anfang versäumst, wirst du nach 15 Minuten nicht mehr nachholen.»

Nächster Fehler: Nicht mit Weisswein ablöschen! Ich lösche einen Risotto niemals mit Weisswein ab. Erstens muss die Säure des Weins nicht fünfzehn Minuten lang mitkochen, bis der Reis soweit ist. Zweitens blockiert sie das Reiskorn und verlängert den Garungsprozess.

Besonders wichtig ist, dass du heisse Flüssigkeit eingiesst und nicht kalte, denn sonst quillt das Reiskorn auf, und es tritt Stärke aus. Die Flüssigkeit, mit der du aufgiesst – Hühnerbrühe, Rindsuppe oder Gemüsefond, je nachdem was für einen Risotto du kochst – muss kochend heiss sein.

Nächster Schritt: Sofort salzen. Viele machen den Fehler, dass sie den Reis erst mal kochen lassen und erst am Ende salzen. Was du am Anfang versäumst, wirst du nach 15 Minuten nicht mehr nachholen. Wenn du sofort salzt, hat das Reiskorn Zeit, das Salz aufzunehmen. Wenn du am Schluss salzt, bekommt das Reiskorn nur eine Salzhülle, bleibt aber in seinem Kern ungewürzt, was spätestens beim zweiten Bissen, wenn du den Reis mit den Zähnen zermahlst, auffällt.

Nächster Irrtum: die Flüssigkeit nach und nach eingiessen – Blödsinn. Ich gebe die ganze Flüssigkeit auf einmal dazu, und wenn am Ende der fünfzehn Minuten noch etwas fehlt, gebe ich noch ein bisschen was dazu. Aber der Reis muss nicht nur – wie es in tausend Kochbüchern wiederholt wird – leicht von Flüssigkeit bedeckt sein – wieso? Es ist egal, ob der Reis kocht wie Wäsche oder ob er so langsam dahinzieht – das einzelne Reiskorn wird trotzdem 15 Minuten brauchen. Es macht keinen Unterschied, wie fest das ganze Ding kocht.

Mein Tipp: Sei respektvoll mit der Temperatur und lass es einfach nur so blubbern. Und rühr den Kochlöffel nicht an. Denn je mehr du rührst, desto mehr musst du auch rühren. Denn das Rühren trägt dazu bei, dass von Anfang an mehr Stärke austritt, die Stärke sinkt auf den Boden des Topfes, dann brennt sie an. Auch deshalb solltest du genug Flüssigkeit im Topf haben und den Risotto erst einmal in Ruhe lassen.

Ist doch ein Geschenk: In den dreizehn Minuten, die du von mir gerade geschenkt bekommst, kannst du dir einen Drink einschenken oder aufmerksam die Zeitung lesen.

Dann kommt das Fett. Jetzt wird es buttrig. Jetzt kommt der Augenblick, wo du auf gar keinen Fall anfangen darfst zu sparen: Butter, Olivenöl, Parmesan – was auch immer du dazugibst.

Weil jetzt kommt der Zeitpunkt, wo du den Risotto bunt machen kannst, wenn du das willst. Kräuter dazugeben. Pilze. Auch das lässt sich variieren. Safran kommt früher rein. Wenn ich ein Speckaroma möchte, kommt der Speck schon ganz am Anfang dazu. Wenn ich einen Pilz-Risotto mache, kommt ein Teil der Pilze am Anfang und der zweite Teil am Schluss dazu. Wenn dann – einer meiner Klassiker – auch Heidelbeeren dazukommen, gebe ich die erst ganz am Schluss dazu.

Steinpilze und Heidelbeeren sind beste Freunde. Heidelbeeren geben Säure. Jeder Risotto braucht Säure. Mit Säure kannst du spielen, und du hast so viele Möglichkeiten. Es muss nicht immer der Weisswein sein (und wenn schon Weisswein, dann reduziere ihn an der Seite auf ein paar Tropfen hinunter und gib die kurz vor Schluss in den Reis).

«Risotto bedeutet: ein harmonisches Miteinander von Reiskorn und Flüssigkeit.»

Was ist mit Zitrusfrüchten? Was ist mit Essigen? Wenn ich einen Tomaten-Risotto mache, dann kommt ein Tomatenessig dazu, der ist mir lieber als der beste Weisswein. Weil er nämlich passender ist. Wenn ich einen Pancetta-Apfel-Risotto mache, dann kommt vielleicht ein Apfelessig dazu. Und wenn ich etwas mit Meeresfrüchten, zum Beispiel einen Gambas-Risotto mache, dann verwende ich vielleicht einen Zitronen- oder Yuzu-Saft.

Aber noch ist die Gefahr, alles zu vermasseln, nicht gebannt. Denn in dem Augenblick, wo Butter, Öl und Parmesan dazukommen, darf der Risotto auf keinen Fall mehr kochen. Er muss sofort vom Feuer gezogen werden, weil er sonst nicht bindet.

Jetzt entscheidet sich alles: Wenn sich die Flüssigkeit vom Reiskorn trennt, hast du versagt. Risotto bedeutet: ein harmonisches Miteinander von Reiskorn und Flüssigkeit. Butter rein, Parmesan rein, die Säure rein, die Kräuter rein und abgedeckt zwei Minuten stehen lassen.

Dann kommt der Moment, wo du den Risotto kräftig durchmischen musst. Und dann solltest du eigentlich nichts mehr machen. Nur geniessen.»

Diese und weitere Antworten rund ums Essen finden Sie im grossen Koch-Ratgeber von «Magazin»-Kolumnist Christian Seiler, christian.seiler@dasmagazin.ch