Weinsteins Verteidigung sät Zweifel
Bislang hatten die Verteidiger mit ihren Zeugen nicht punkten können. Am Montag gelingt ihnen vor Gericht der erste richtige Gegenschlag.
Damon Cheronis steht am Rednerpult, noch bevor seine Zeugin den Gerichtssaal betreten hat. Mit Nachdruck bearbeitet er seinen Kaugummi, die Wange zuckt. Als dann Claudia Salinas im Zeugenstand Platz nimmt, hält sich der Verteidiger von Harvey Weinstein nicht mit dem sonst üblichen biografischen Vorgeplänkel auf. Er bittet die Zeugin, den Angeklagten anhand eines Kleidungsstücks zu identifizieren, dann kommt Cheronis direkt zur Sache: «Haben Sie Harvey Weinstein jemals nackt aus einer Duschkabine kommen sehen?», fragt er. Salinas verneint sehr bestimmt.
Die Frau im karierten Blazer mit dem langen Pferdeschwanz ist als Zeugin der Verteidigung geladen und soll vor Gericht die Angaben einer mutmasslich betroffenen Frau widerlegen: Lauren Young hatte in der vergangenen Woche im Zeugenstand von einem Übergriff Weinsteins in einem Hotelbadezimmer in Los Angeles berichtet. Salinas sei damals als Weinsteins Assistentin aufgetreten, sagte Young aus, und habe während des Vorfalls vor der Badezimmertür gewartet. In einer ersten Vernehmung gegenüber der Polizei hatte sie sogar angegeben, Salinas habe sie ins Badezimmer geschubst und die Tür verriegelt. Vor Gericht musste sie diese Angaben abschwächen.
Hier hakt am Montag Verteidiger Cheronis ein: Ob sie jemals als Weinsteins Assistentin gearbeitet oder Termine für ihn ausgemacht habe, will er von Claudia Salinas wissen. Wieder verneint die Zeugin. «Sind Sie absolut sicher?», fragt Cheronis weiter. Seine Stimme ist laut und herausfordernd. Salinas' «Ja!» ist nicht viel leiser, es scheint im Saal nachzuhallen.
Der erste richtige Gegenschlag vor Gericht
Für die Verteidigung ist dieses Ja der erste richtige Erfolg vor Gericht. Seit vergangener Woche dürfen die Anwälte des Ex-Filmmoguls im New Yorker Vergewaltigungsprozess nun ihre Zeugen aufrufen. Zeugen, die Weinstein entlasten sollen. Doch gleich der erste wurde im Kreuzverhör von Staatsanwältin Joan Illuzzi in der Luft zerrissen, und auch die experimentelle Psychologin, die der Jury am Freitag ihre Forschung zu verfälschten und eingepflanzten Erinnerungen präsentierte, schaffte es vor allem, den Unmut des Richters auf sich zu ziehen. Wiederholt schaltete sich Richter James Burke in die Befragung der Zeugin ein und ermahnte sie, nur dann auf eine Frage zu antworten, wenn die Antwort wirklich innerhalb ihrer Expertise liege. Arthur Aidala, ein anderer Anwalt Weinsteins, bat den Richter später, seinen Ton künftig zu mässigen. Wie sich Burke verhalte, mache schliesslich Eindruck auf die Jury. Aidala hatte sich direkt vor der Richterbank aufgebaut, seine Handflächen waren vor der Brust zusammengepresst – es wirkte fast flehentlich.
Am Montag läuft es schon mit der ersten Zeugin besser für Weinsteins Team. Vor Claudia Salinas sitzt Talita Maia im Zeugenstand, eine zierliche brünette Frau, sie war befreundet mit Jessica Mann, einer von zwei Frauen im Zentrum des Strafverfahrens vor dem New York State Supreme Court. Während Lauren Young nur als Zeugin geladen war, sind Manns Vorwürfe Teil der offiziellen Anklage. Sie hatte über insgesamt drei Tage ausgesagt, insbesondere das Kreuzverhör zog sich. Die junge Frau berichtete nicht nur von zwei mutmasslichen Vergewaltigungen, sondern räumte auch ein, einvernehmliche sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten gehabt zu haben – eine offene Flanke für die Weinstein-Seite.
Donna Rotunno, die das mehrköpfige Verteidigerteam des früheren Filmproduzenten anführt, warf Jessica Mann immer wieder vor, sie habe gezielt das romantische Interesse des ihr zugetanen Weinstein ausgenutzt. An dieser Stelle setzt sie auch bei Talita Maia an, Manns ehemaliger Mitbewohnerin. Wie sie das Verhältnis zwischen Mann und Weinstein wahrgenommen habe, will Rotunno wissen. «Sie schien ihn als Person wirklich zu mögen», sagt Maia, einmal habe Mann den Studioboss sogar als ihren «geistigen Seelenverwandten» bezeichnet.
Anschliessend bittet Rotunno ihre Zeugin, sich an zwei ganz bestimmte Tage zu erinnern, an denen sie mit Mann unterwegs war. Es geht um Tage, an denen es zu Übergriffen durch Weinstein gekommen sein soll. Einmal soll Weinstein Mann im Schlafzimmer einer Hotelsuite Oralverkehr aufgezwungen haben, während sich Maia im Nebenraum aufhielt. Wie sich Mann verhalten habe, als sie auf dem Schlafzimmer gekommen sei, fragt die Verteidigerin. «Sie hat normal auf mich gewirkt», sagt Maia, «es gab nichts Ungewöhnliches.»
Auch dieser Satz ist wohl ein Punkt für die Verteidigung. Direkt zu Beginn des Verfahrens hatte die Staatsanwaltschaft eine forensische Psychiaterin geladen, die erklärte, dass sich Opfer sexueller Gewalt selten so verhielten, wie man das erwarte. Weinsteins Anwälte setzen darauf, dass die Jury diese Experteneinschätzung ignoriert und auf ihr Bauchgefühl hört.
Maia ist ihrer einstigen Freundin längst nicht mehr wohlgesonnen
Zwar kann auch die Staatsanwaltschaft an diesem Montag noch den einen oder anderen Treffer landen. So kommt im Kreuzverhör heraus, dass Talida Maia ihrer einstigen Mitbewohnerin Jessica Mann längst nicht mehr wohlgesonnen ist: Die beiden zerstritten sich so heftig, dass Maia Mann von ihrer Hochzeit auslud. Und Claudia Salinas wird mit ihrer eigenen Aussage gegenüber Ermittlern konfrontiert. Damals hatte sie Weinstein als «Bully» bezeichnet und sein Verhalten als «nicht besonders ethisch» beschrieben. Doch insgesamt geht der Tag an die Verteidigung. Sie hat Zweifel gesät.
Ob diese Früchte tragen, könnte sich schon in der kommenden Woche zeigen. Dann wird sich die zwölfköpfige Jury zu ihren Beratungen zurückziehen.
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